Slomka und Gabriel im heute-journal: Ein Schlagabtausch mit Folgen

Manchmal können im Fernsehen wenige Minuten eines Interviews viel spannender sein als eine ganze Stunde Talkshow – so wie am Donnerstagabend, als Marietta Slomka und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im heute-journal des ZDF heftig aneinander gerieten.

Schon als Sigmar Gabriel von einer SPD-Konferenz in Hessen zugeschaltet wird, merkt man schnell, dass es zwischen den beiden knistert. Slomka behauptet, bei dem ersten Treffen mit der Basis nach Abschluss des Koalitionsvertrages habe es einigen Gegenwind gegeben. Gabriel widerspricht: „Da müssen Sie eben nicht zugehört haben, Frau Slomka, es gab große Zustimmung.“ Es sei eine richtig fröhliche Veranstaltung gewesen.

Da legt Marietta Slomka das erste Mal den Kopf ein wenig schräg und ein bisschen mehr Schärfe in die Stimme. Ob die SPD vor der Mitgliederentscheidung eigentlich bedacht habe, dass das Verfahren verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte, will sie wissen. „Nee, weil das ja auch Blödsinn ist“, sagt Gabriel.

Beide fallen sich ins Wort

Er gehört zu den wenigen Politikern, die Journalisten offen kontra geben, wenn ihnen die Fragen nicht gefallen. Und Slomka gehört zu den wenigen TV-Moderatoren, die sich davon nicht einschüchtern lassen. Also bleibt sie dran, und die Sache eskaliert. Kommt das Vorgehen der SPD nicht einem verbotenen imperativen Mandat für die Abgeordneten nahe, fragt sie. „Das ist völlig falsch, was Sie da sagen, Frau Slomka“, antwortet Gabriel. Und argumentiert, dass die SPD doch viel mehr Menschen an der Entscheidung teilhaben lasse als die Unionsparteien, wo nur wenige Funktionäre entscheiden – was solle daran undemokratisch sein?

Sie hält wieder dagegen, er fordert: „Lassen Sie uns diesen Quatsch beenden.“ Beide fallen sich ins Wort. Da behauptet er, es sei nicht das erste Mal, dass sie versuche, einem Sozialdemokraten im Interview das Wort im Munde umzudrehen. Slomka erwidert: „Herr Gabriel, Sie werden mir jetzt bitte nichts unterstellen.“

Die Zuschauer erleben ein in einer deutschen Fernsehnachrichtensendung selten offenes Wortgefecht. Nach siebeneinhalb Minuten findet Slomka ein Ende: „Herr Gabriel, vielen Dank für das Gespräch.“

Der Schlagabtausch findet am Freitag eine heftige Resonanz. Unter dem Strich kommt Gabriel ein wenig besser weg als Slomka, deren Beharren auf der Kritik an der Mitgliederbefragung vielen missfällt, da Gabriel ja mehrfach sachlich geantwortet habe. Der SPD-Politiker wird aber für seinen barschen Umgang mit der Journalistin gerügt. Dabei muss sie eigentlich sehr zufrieden gewesen sein mit dem Gespräch . „Am schlimmsten sind Pudding-Politiker, die man an die Wand nageln muss“, hat sie einmal über ihre Interviewerfahrungen gesagt.

Das ist bei Gabriel ganz gewiss nicht der Fall. Er gehört zu jenen von Journalisten eigentlich geschätzten Politikern, die eine klare Sprache bevorzugen. Sein Problem ist, dass er nicht sonderlich viel von Journalisten hält. Das hängt auch mit dem im jüngsten Wahlkampf durch den Umgang mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück genährten Verdacht zusammen, dass Sozialdemokraten in vielen Medien gerade besonders schlecht und geringschätzig behandelt werden. Als Beispiele dafür dienen ein äußerst negativ ausgefallenes Porträt im Spiegel und ein sehr scharf geführtes Interview Slomkas mit Steinbrück eine Woche vor der Bundestagswahl, in dem er ihre Attacken allerdings souverän parierte. Hierher rührte Gabriels Bemerkung, sie versuche nicht zum ersten Mal, einem SPD-Politiker das Wort im Munde umzudrehen. Steinbrück erinnerte am Freitag an diesen Auftritt Slomkas, der ihm „äußerste Disziplin und Höflichkeit abverlangt“ habe. „Politiker müssen sich das keineswegs gefallen lassen.“

Gabriel merkt sich so etwas, auch wenn er nicht im eigentlich Sinne nachtragend ist. Auf die Frage, ob er noch sauer auf Slomka sei, meinte er am Freitag in einem RTL-Interview: „Man muss doch auch mal Emotionen zeigen. Wir sind ja keine kalten Fische. Manche Journalisten glauben, wir Politiker seien so zum Watschenmann da, das scheint in Mode gekommen zu sein und dafür bin ich einfach nicht geeignet.“

Seehofer springt Gabriel bei

Das ZDF verteidigte seine Moderatorin. „Die Zuschauer konnten ein spannendes Interview verfolgen“, sagte die Redaktionsleiterin Anne Reidt. „Es ging hart zur Sache und um die Sache. Argumentativer Schlagabtausch und Verbalgefecht sind Instrumente des politischen Journalismus.“ Den Vorwurf der Parteilichkeit wies Slomka selbst in der Bild-Zeitung zurück: „Die Vielzahl von Interviews, die ich in den letzten zwölf Jahren geführt habe, belegen, dass dieser Vorwurf jeder Grundlage entbehrt. Ich trage keine parteipolitische Brille. Als Journalistin habe ich die Aufgabe, Politiker mit Kritik zu konfrontieren.“

Unerwarteten Beistand bekam Gabriel indes von seinem neuen Koalitionspartner Horst Seehofer. Der CSU-Chef beschwerte sich in einer SMS an den ZDF-Intendanten über das Interview. „Ich wehre mich gegen diese Qualität der Diskussion“, sagte Seehofer, der im ZDF-Verwaltungsrat sitzt. Gabriel habe in dem Gespräch wie ein Schulbub vorgeführt werden sollen, kritisierte er.