SPANDAU - Ein Kriminalitätsschwerpunkt am Ende der U-Bahn-Linie 7? Vier Quartiere des Bezirks bezeichnet die Polizei als Problemkieze. Anwohner sind geteilter Meinung, der Bezirksbürgermeister gibt dem Senat die Schuld.: Mau-Mau lebt weiter

Das Klettergerüst entspricht sicher sozialpädagogischen Standards. Drumherum stehen moderne mehrstöckige Wohnhaus-Blöcke. Die Fassaden sind rot verklinkert, dazwischen setzen weiße Wände und neue Holzfensterrahmen Akzente - die Olga-Tschechowa-Straße in Spandau-Haselhorst. Ein Teil der Wasserstadt Spandau, die einmal als stadtplanerische Zukunftsvision prunken sollte.Jetzt gilt das Neubauviertel, das für mehrere hundert Millionen Euro an der Oberhavel entstanden ist und wo heute viele Wohnungen leer stehen, als "Problemkiez". So nennt die Polizei neuerdings neun Stadtgebiete in Berlin, in denen "kiezbezogene Straftaten" wie Diebstahl, Körperverletzung und Drogenhandel besonders häufig vorkommen. In der Wasserstadt hat die Polizei auffällig viele Einbrüche gezählt.Barbara Herrndorf, die an der Olga-Tschechowa-Straße wohnt, ist über die Beurteilung nicht überrascht. "Ich wohne seit sechs Jahren hier, und die ersten zwei Jahre war ich erschrocken", sagt die Mutter von drei Kindern. "Einbrüche gab es in unserer früheren Nachbarschaft nicht. Doch hier wurde bei uns im Keller sogar Feuer gelegt, und bei euch wurde doch eingebrochen", sagt Herrndorf zu ihrer Schwester Barbara. Die nickt bestätigend: "Im Keller." Jugendbanden hätten regelmäßig Streit, Deutsche gegen Ausländer, sagt die Frau und empfiehlt für weitere Fragen das nahe gelegene Jugendfreizeitzentrum Haveleck im Pulvermühlenweg."Es sind Fehler gemacht worden", sagt die Juz-Mitarbeiterin Jana Friedrich. Etwa, dass allen Bewohnern der Barackensiedlung "Mau-Mau", die Mitte der neunziger Jahre für den Bau der Wasserstadt abgerissen wurde, Sozialwohnungen im Viertel angeboten wurden. "Man hätte wissen können, dass die sich weiter so benehmen, wie sie das vorher getan haben, und nur einen Teil hier wieder ansiedeln sollen." Manche der Familien verwahrlosten zusehends. Auch belaste der hohe Ausländeranteil das Verhältnis der Bewohner zueinander. Es sei nicht nur im Juz bekannt, dass vor dem Oberstufenzentrum mit Drogen gehandelt wird und dass manche der Jugendlichen Einbrüche verüben. "Aber Banden sind das nicht, und Bandenkriege gibt es auch nicht", sagt Friedrich.Das kriegt auch jeder zu hören, der über die 46 Millionen Euro teure Wasserstadtbrücke in das Quartier Havelspitze am gegenüberliegenden Ufer fährt und Peter Bienk nach der Lage fragt. "Keine Banden, nichts", sagt der 62-Jährige, der seit fünf Jahren die Kneipe "Kieztreff bei Heidi und Peter" betreibt. "Einbrüche passieren in Tempelhof auch, aber hier wird niemand auf der Straße überfallen", sagt der Wirt.Bienk fürchtet aber, dass die Einschätzung als "Problemkiez" dazu führt, dass noch weniger Menschen in der Wasserstadt leben wollen und das Viertel irgendwann ganz verödet. "Hier gibt es keine Bank, keinen Postschalter, nichts, und wenn ich zumache, ziehen noch mehr weg." Bienk hat seinen Mietvertrag für die Kneipe gekündigt. Wenn die Wohnungsgesellschaft Arwobau nicht die Miete senkt, hört der Wirt auf. Seine Mietwohnung in der Nachbarschaft will er aber behalten. "Ick wohn ja jut hier, nur das Geschäft läuft nicht."BERLINER ZEITUNG/MICHAEL BREXENDORFF Wasserstadt Spandau: Schöne Aussicht auf die Oberhavel, aber eine hohe Kriminalitätsrate.