Speerwerferin Christina Obergföll über das Akzeptanzproblem der Leichtathletik-WM in Berlin: "Irgendetwas läuft da schief"
Frau Obergföll, wie laufen die WM-Vorbereitungen?Bei mir oder so ganz allgemein?Das eine hängt doch mit dem anderen zusammen. Sie sind eines der offiziell ernannten und dann vernachlässigten WM-Gesichter.Ich finde das in der Tat ein bisschen schade. Wir haben die Auftaktveranstaltung gehabt mit den WM-Gesichtern, und seither ist eigentlich nichts mehr passiert.Weitspringer Sebastian Bayer hat sich ähnlich geäußert. Später kam heraus, dass er eine Einladung zu Wetten, dass ...? ausgeschlagen hat.Ich hatte eine Anfrage für den Fernsehgarten, das war alles. Wir reden hier über das größte Sportereignis in diesem Jahr. Da finde ich es schon gerechtfertigt, wenn ich mal meine Meinung sage.Haben Sie das Gefühl, dass sich die Deutschen auf diese WM freuen?Überhaupt nicht. Ich werde bei mir zu Hause in Offenburg gefragt: Und? Ist irgendwas Besonderes diesen Sommer? Dann sage ich: Hallo? Es ist WM in Berlin. Dann schauen die mich an und sind total überrascht.Was wäre denn konkret zu tun?Es kann doch kein Problem sein, vor den Sportsendungen ein paar Werbespots im Fernsehen zu schalten. Ich glaube, es hängen ein paar Plakate in Berlin. Aber das war es dann auch.Ist ja auch noch ein bisschen Zeit.Was heißt denn da ein bisschen Zeit? In vier Wochen geht es los!Bis dahin kann man noch eine Menge Werbespots schalten.Ich weiß nicht, wie viele Leute seit Jahren wissen, dass 2010 die Fußball-WM in Südafrika stattfindet. Bei uns wissen die Leute vier Wochen vor dem Start nicht einmal, dass eine WM in Berlin ist.Wer hat das zu verantworten?Da maße ich mir kein Urteil an. Ich werfe Speer. Ich kann nur sagen, was ich erlebt habe.Nur zu!Ich habe im Dezember einen Anruf bekommen, mit der Ansage, dass eine große PR-Veranstaltung für die Gesichter der WM geplant ist. Daraufhin habe ich einen Flug gebucht. Dann habe ich ewig nichts gehört, und drei Tage vorher bekomme ich mitgeteilt, dass der Termin verlegt wurde. Der nächste Termin wurde auch verschoben. Das war alles so chaotisch, dass ich mir da schon dachte: Irgendetwas läuft da schief.Die Veranstalter sehen sich im Soll.Jaja, da heißt es jetzt immer, 18 Prozent der Deutschen wüssten, dass diese WM stattfindet, und bei der Handball-WM hätten es angeblich nur acht Prozent gewusst. Ich glaube nicht so ganz, was da alles erzählt wird.Haben Sie Angst, dass Sie vor halbleeren Rängen werfen werden?Mittlerweile muss ich sagen: Ja.Es heißt, es seien bereits 240 000 von 500 000 Karten verkauft.Mag sein. Aber diese Zahl höre ich jetzt auch schon seit Wochen.Dabei sind die deutschen Leichtathleten so gut wie lange nicht.Wir Sportler haben unser Soll erfüllt. Keine Frage.Keine Frage aber auch, dass Sie als Führende der Weltrangliste zuletzt seltsame Schwächen gezeigt haben.In Lausanne habe ich eigentlich gedacht, es ist alles wieder in Ordnung. Als ich ins Stadion kam, dachte ich: Heute geht was!Und dann ging gar nichts.Der erste Wurf war schlecht, der zweite scheiße. Und dann ist es eben so, dass man auf Teufel komm raus einen guten Wurf machen will - und verkrampft.Trainieren Sie, mit solchen Momenten umzugehen? Kann ja auch bei der WM passieren.Mich kann da nichts mehr umhauen. In der Regel ist es doch so: Wenn man sich sagt, wow, heute reiße ich Bäume aus, dann passiert genau das Gegenteil.Und wenn die Regel keine Lust hat?Dann ist es umgekehrt.Das Gespräch führte Boris Herrmann.------------------------------Rückschlag in UlmSpeerspitze: Christina Obergföll, 28, aus Offenburg im Schwarzwald hält mit 70,03 Metern den Europarekord und gewann 2008 in Peking die einzige Olympiamedaille der deutschen Leichtathleten. 2005 und 2007 gewann sie WM-Silber.Weltspitze: In dieser Saison liegt Obergföll mit 68,59 an der Spitze der Welt. Bei der DM in Ulm wurde sie mit enttäuschenden 62,09 aber nur Zweite hinter Steffi Nerius.------------------------------Foto: Volle Kraft voraus: Die olympische Bronzemedaillengewinnerin Christina Obergföll gibt, was sie kann, und sagt, was sie denkt.