0:4 gegen RB Leipzig: Welche Konsequenzen zieht Union aus der Niederlage zum Auftakt?

Berlin - Ob ihm denn in seiner langen Karriere im Fußball-Geschäft eine Abreibung dieser Art, wie das bittere 0:4 zum Auftakt gegen RB Leipzig, schon mal widerfuhr, wurde Urs Fischer gefragt. Der Trainer des 1. FC Union musste gar nicht lange überlegen. Es sprudelte förmlich aus dem sonst so nachdenklichen Schweizer heraus. „Mit Zürich habe ich als Spieler mal ein 1:6 gegen Sion und ein 1:9 gegen Xamax Neuchatel erlebt.“ Und, ach ja, das hätte der mittlerweile 53 Jahre alte Fußballlehrer beinahe vergessen, ein 2:7 gegen Servette. Mit St. Gallen spielte Fischer Ende der 80er-Jahre gegen Genf um den damaligen Ausnahmekönner Karl-Heinz Rummenigge. Frustrierend sei das gewesen.

Das mit dem Verarbeiten von harten Rückschlägen ist ja ohnehin so eine Sache. Der eine geht schneller zur Tagesordnung über als der andere. „Offensichtlich“, sagte Fischer, „habe ich diese Pleiten immer noch nicht verarbeitet. Die sind irgendwie noch präsent.“ Auch für Innenverteidiger Marvin Friedrich, 23, ist die Pleite gegen RB Leipzig „natürlich schwer zu verarbeiten. Aber es ist passiert. Es hilft nichts, wenn wir jetzt die ganze Woche darüber reden.“

Die Enttäuschung bei den Verantwortlichen war auch am Tag nach der deutlichen Niederlage zum Start in die Premierensaison zu spüren. „Ernüchternd“ – das sei in Fischers Augen das treffende Wort. Man sei nach dem euphorischen Aufstieg wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Friedrich gewährte überdies Einblicke in das Seelenleben der Mannschaft. Freilich sei die Enttäuschung bei ihm und den Teamkollegen sehr groß. „Wir haben uns das Debüt anders vorgestellt“, sagte der Abwehrspieler, „nun müssen wir das abhaken und nach vorne schauen.“

Unmittelbar nach vorne schauen konnte Fischer hingegen nicht. In den Stunden nach der Auftaktniederlage hielt sich der Schweizer noch eine Weile mit dem Leipzig-Spiel auf. Das bringt der Beruf als Trainer eben mit sich. In seinem Büro An der Alten Försterei analysierte Fischer bis nachts um halb zwölf mit seinem Stab die Partie, pickte sich vor allem die vielen Szenen mit den teils haarsträubenden individuellen Fehlern heraus, die folgenschwere Kettenreaktionen ausgelöst hatten.

Man sei teils naiv gewesen, habe zu viele Bälle verloren und sei nicht in die Zweikämpfe gekommen. „Wir müssen mutiger sein und die Zweikämpfe suchen“, findet Fischer. „Das sind Basics, die uns in der letzten Saison ausgezeichnet haben. Wichtig ist, dass die Jungs einsehen, dass es so nicht geht. Wir müssen uns schnellstmöglich zurechtfinden.“

Die Erkenntnis für Fischer, seinen Trainerstab und die Mannschaft ist jedenfalls klar: In der Ersten Liga weht ein anderer Wind. Jeder noch so kleine Fehler wird „gnadenlos bestraft“, stellte Friedrich fest. Wie beispielsweise vor dem 0:1 in der 16. Minute durch Marcel Halstenberg, der vor seinem Schuss sträflich allein gelassen wurde, oder dem 0:2 durch Marcel Sabitzer (31.), dem schlichtweg zu viel Raum geboten wurde. „Bei allem Respekt vor der Zweiten Liga“, sagt Fischer, „aber der Unterschied ist schon da. Das ist jetzt eine andere Liga, mit mehr Qualität, mehr Geschwindigkeit, da bekommst du sofort die Quittung.“ Die haben die Eisernen auf brutale Art und Weise bekommen. Gleich viermal.

Am Sonnabend wollen die Eisernen einen Versuch der Wiedergutmachung unternehmen. Beim FC Augsburg, der ähnlich schlecht in die neue Saison gestartet ist. Die Augsburger unterlagen 1:5 bei Borussia Dortmund, einem ähnlich starken Team wie Leipzig. Auch sie wirkten in der Abwehr maßlos überfordert, waren gegen die wuchtige Offensivkraft der Borussen chancenlos.

„Das wird unser Prüfstein“, sagte Augsburgs Trainer Martin Schmidt, 52, mit Blick auf den 1. FC Union. Fischers Landsmann steckt schon gleich zu Saisonbeginn in der Krise. Am letzten Spieltag der Runde 2018/2019 setzte es ein 1:8 gegen Wolfsburg, vor kurzem gab es das blamable Aus im DFB-Pokal bei Viertligist Verl (1:2) und nun das 1:5 gegen Dortmund.

Freilich wird Fischer seine Startformation bei den bayrischen Schwaben verändern. Gut möglich, dass Sheraldo Becker für Suleiman Abdullahi kommt, Anthony Ujah für Sebastian Andersson und Marcus Ingvarsten für Robert Andrich. Dass Fischer in seinen Planungen im Übrigen keine Rücksicht auf große Namen nimmt, zeigte die Auswechslung von Christian Gentner, 34. Den mit nunmehr 378 Bundesligaspielen mit Abstand erfahrensten Kicker im Union-Kader nahm Fischer schon zur Pause vom Feld. Er hatte den Eindruck, „dass man etwas machen müsse“ und Grischa Prömel und Robert Andrich habe er nicht so schlecht gesehen. „Ich muss mich da nicht rechtfertigen“, sagte Fischer. „Wenn ich das so sehe, dann entscheide ich auch so. Da spielen Alter oder Erfahrung keine Rolle."