Das Ende einer Reise weckt bei den Eisernen die Lust auf mehr

Kein Klub hat die neue Conference League so angenommen wie der 1. FC Union. Der Wettbewerb war für den Verein ein Segen und für die Profis eine Lehrstunde.

Enttäuschung pur bei den Union-Stars Levin Öztunali , Julian Ryerson und Kevin Behrens (vl.nr.) nach dem Aus in der Conference League.
Enttäuschung pur bei den Union-Stars Levin Öztunali , Julian Ryerson und Kevin Behrens (vl.nr.) nach dem Aus in der Conference League.imago/Contrast/Oliver Behrendt

Der warme Applaus ihrer 5000 Fans im Olympiastadion tröstete die Union-Profis nicht wirklich über das bittere Ende ihrer Europacup-Reise hinweg. „Es ist schön zu sehen, was für eine Wucht und Power so ein kleiner Verein wie Union entfachen kann“, sagte Mittelfeldspieler Grischa Prömel: „Wir sind alle sehr enttäuscht, dass die Reise jetzt zu Ende ist.“

Keine Frage: Die Köpenicker haben die neue Conference League gelebt. Andere Klubs hätten den drittklassigen europäischen Wettbewerb vielleicht als Abstieg gewertet. Gegner Slavia hatte ja von der Champions League geträumt und war sowohl in den Playoffs zur Königsklasse wie in der nächsten Quali-Runde zur Europa League gescheitert.

Aber für die Eisernen war es 20 Jahre nach ihrer Teilnahme am UEFA-Cup ein herbeigesehntes Abenteuer, das Fans und Mannschaft mit Begeisterung angenommen haben. Nach dem Vorrunden-Aus durch das 1:1 (0:0) im Gruppenfinale gegen Slavia Prag schrieb twitterten die Köpenicker von „Erinnerungen für die Ewigkeit“.

Das Europacup-Comeback habe „viele tolle Momente“ produziert und „natürlich Lust auf mehr“ gemacht, gab Trainer Urs Fischer denn auch zu. Eine schnelle Rückkehr in den Europapokal ist durchaus möglich. Platz sechs - und da rangieren die Eisernen in der Liga gerade - wäre ja am Ende gleichbedeutend mit der erneuten Qualifikation zu den Playoffs für die Conference League. Mit einem Sieg am Sonntag (15.30 Uhr/DAZN) beim abgeschlagenen Schlusslicht Greuther Fürth käme man gar den nur zwei Punkte entfernten Champions-League-Rängen näher.

Fischer spricht vom Klassenerhalt, Kruse widerspricht

Fischer kann zwar nicht aus seiner Haut, pocht öffentlich weiter stur auf das Ziel „Klassenerhalt“, doch intern ist die Hoffnung auf ein neues Europacup-Abenteuer groß. Die Meisterschaft ist ein Marathon. Es ist nicht mal die Hälfte rum, es ist noch ein ganz langer Weg, die Zielsetzung bleibt Klassenerhalt. Natürlich bekommst du da Lust auf mehr, aber wir bleiben unserem Weg treu, so der Schweizer gewohnt defensiv. 

Dennoch überwiegt der Stolz in Köpenick. Bei all den Unzulänglichkeiten in den sechs Spielen der Gruppenphase. Beim ersten Anlauf hat das Team halt „Lehrgeld gezahlt“, wie Fischer sagte. Fehler wie der katastrophale Querpass von Timo Baumgartl vor dem 0:1 auf Torschütze Ivan Schranz (50.) gab es leider zu viele. Erinnert sei hier nur noch an die unnötige Ampelkarte beim 1:3 im Hinspiel in Prag. Oder an Andreas Luthes kapitalen Schnitzer beim 1:2 gegen Rotterdam Anfang November im Olympiastadion.  „Auf internationalem Niveau darfst du dir solche Fehler nicht erlauben“, haderte der Trainer, „das sind Erfahrungen, die du mitnehmen musst.“

Auch spielerisch zeigte sich Union nicht reif genug für die K.o.-Runden. Angreifer Max Kruse, der mit seinem 1:1-Ausgleichstreffer (64.) noch mal Hoffnung auf den zwingend notwendigen Sieg geweckt hatte, haderte: „Wir haben nur versucht, die Bälle irgendwo vorne reinzuschlagen.“

Man habe im ganzen Bemühen „vergessen, dass wir auch Fußball spielen wollen“. Das soll sich schnell ändern. Auch weil Kruse sehr offensiv deutlich höhere Ziele als sein Übungsleiter anpeilt: „Wir müssen dann dieses Jahr noch mal angreifen, damit wir am Ende der Saison hoffentlich wieder auf den internationalen Plätzen stehen“, verbreitete er noch in der Nacht nach dem Remis gegen die Tschechen via Instagram eine Kampfansage.

Was nach dem Aus bleibt, sind die Erinnerungen: an stimmungsvolle Auswärtsspiele wie in Helsinki gegen Kuopio und Haifa. An den gewaltbegleiteten Ausflug nach Rotterdam. An rote Fan-Feste im Olympiastadion, der Heimat der „Blauen“ von Hertha BSC. Ein bisschen Spielgeld hat Union ja auch kassiert. Ohne Zuschauereinnahmen gab es knapp 3 Millionen Euro an Antrittsgage sowie 1,16 Millionen Euro an Punktprämien. Ein deutliches Zubrot für Union, die in der Vorsaison durch Corona etwas über 10 Millionen Euro Verlust gemacht hatten.

„Es war eine tolle Erfahrung für die Jungs, wir haben das Ganze nicht so schlecht gemacht - auch wenn es sich heute wirklich schlecht anfühlt“, sagte Fischer. Union hat den neuen Wettbewerb wirklich bis zum bitteren Ende gelebt.