Michel lässt Union hoffen: Der Stürmer trifft gegen Saint-Gilloise spät zum 3:3
Die Eisernen wollen womöglich einen Tick zu viel, laufen den Belgiern mehrmals ins offene Messer. Doch dann trifft der Joker zum Ausgleich.

Bringen wir es, bevor wir uns eingehender mit diesem energiegeladenen, zum Teil auch fesselnden Fußballabend im Stadion An der Alten Försterei auseinandersetzen, doch erst mal auf den Punkt: Im Hinblick auf das Rückspiel im Achtelfinale der Europa League am kommenden Donnerstag ist die Ausgangsposition des 1. FC Union Berlin dank Einwechselspieler Sven Michel letztlich doch ganz gut. Das ist die Konsequenz aus dem 3:3, zu dem die Elf von Trainer Urs Fischer in der ersten Auseinandersetzung mit Royale Union Saint-Gilloise gekommen ist. Und das bereits angedeutet wegen Michel, der nach seiner späten Einwechslung in der 89. Minute den so wichtigen Ausgleich erzielen konnte.
Ungemütlich war's in der Spielstätte des FCU. Regen gab's. Dann Schnee. Wieder Regen. Schließlich ein Gemisch aus beidem. 1 Grad Celsius. Für den Nebel, der bei Anstoß über dem Platz hing, waren allerdings nicht die Launen der Natur, sondern die Fans der Gäste mit einem kurzen Pyrotechnik-Exzess verantwortlich. Die Anhänger der Eisernen konnten hingegen an sich halten, was im Zusammenhang mit der Bewährungsstrafe, welche die Uefa infolge der Zündelei in Amsterdam gegen den Bundesligisten verhängt hat, allemal sinnvoll ist.
Wilder Start der Unioner
Im Schneeregennebel legten die Eisernen einen – für ihre Verhältnisse – sehr wilden Start hin. Die Abwehrreihe mit „chief instructor“ Robin Knoche und Diogo Leite und Danilho Doekhi als dessen Adjutanten stand viel höher als das für gewöhnlich der Fall ist. Die Schienenspieler, Christopher Trimmel auf der rechten sowie Josip Juranovic auf linken Seite, agierten mehr wie Außenstürmer denn wie Außenverteidiger. Rani Khedira wiederum trieb seine Mitspieler zum Dauerpressing an. Und tatsächlich waren da gleich mal ein paar gute Chancen.

Sheraldo Becker hatte eine, nämlich in der achten Minute nach einer feinen Flanke von Juranovic, doch der Niederländer traf den Ball nicht sauber, sodass nur ein Aufsetzer zustande kam, den Keeper Anthony Moris mit einer etwas übertriebenen Parade über die Querlatte lenkte. Beim daraus resultierenden Eckstoß kam Morten Thorsby, der für Aïssa Bilal Laïdouni in die Startelf gerückt war, mit dem Kopf an den Ball, aber eben nicht so richtig. Schließlich machte auch noch Kevin Behrens auf sich aufmerksam, und das ebenfalls nach einem Eckstoß per Kopfball. Doch seinen Abschluss bekam Moris im Nachfassen unter Kontrolle (15.).
Thorsby gewährt Boniface den Raum zum Torschuss
Während der Schneeregen allmählich wieder in Schnee überging, verlor die Offensive der Unioner allerdings etwas an Schwung. Kein Wunder, weil man so ein irres Tempo natürlich nicht über 90 Minuten gehen kann. So konnten sich die Belgier immer öfter befreien, den einen oder anderen Eckball herausarbeiten, und doch hatte es den Anschein, als könnte da nicht wirklich etwas passieren. Aber denkste!
In der 28. Minute jedenfalls gewährte Thorsby vor dem eigenen Strafraum Victor Boniface den Raum zum Kreiseln, auch den Raum zum Torschuss aus 18 Metern. Der Nigerianer zog tatsächlich ab, doch erst der Einsatz von Behrens, der den Schuss entscheidend abfälschte, machte für Keeper Frederik Rönnow aus der „Mission haltbar“ eine „Mission unhaltbar“. Im hohen Bogen senkte sich der Ball durch den Schnee und über den dänischen Keeper hinweg ins Netz.

Schon in der Gruppenphase, in der sich beide Mannschaften schon mal in Hin- und Rückspiel begegnet waren, hatte man aufseiten der Unioner die Erfahrung gemacht, dass Saint-Gilloise aus wenig sehr viel machen kann. Dass das von Karel Geraerts gecoachte Team grundsätzlich schwer zu bespielen ist.
Nun ist es allerdings so, dass die Unioner immer weiter dazulernen, inzwischen zudem noch mehr Spieler in ihren Reihen haben, die etwas Besonderes einbringen können. Und man muss an dieser Stelle natürlich den Kroaten Juranovic nennen, der aus spieltaktischer Sicht, aber auch im Hinblick auf die Ausführung von Standardsituationen eine enorme Verstärkung ist. Beispiel gefällig? In der 42. Minute verwandelte er aus 18 Metern einen direkten Freistoß zum 1:1, profitierte dabei aber freilich auch davon, dass die Mauer von Saint-Gilloise im rechten Moment in zwei Teile zerfiel.

Mit seinem Tor hatte Unions Wintertransfercoup allen im Stadion, vor allem seinen Mitspielern, wieder ein gutes Gefühl verschafft. Ein „Da-geht-noch-was“ war da zu spüren, ein „Da-ist-noch-mehr-drin“. Und gleich nach Wiederanpfiff war da auch wieder ein Stürmen und Drängen wie zu Beginn zu beobachten. Es gab viele gute Ansätze, ein paar Chancen, doch wie in Kopie zur ersten Spielhälfte erzielten die Gäste wie aus dem Nichts wieder ein Tor.
Knoche verwandelt im Nachschuss
Eiskalt nutzten sie einen groben Patzer von Trimmel, der an der Mittellinie viel zu großes Risiko beim Passen ging, den Ball an Loic Lapoussin verlor. Ohne eiserne Restverteidigung ging es für die Belgier ruckzuck. Lapoussin passte auf Yorbe Vertessen, der aus zwölf Metern mit einen Flachschuss Rönnow überwand (58.).
Das hatte natürlich zur Folge, dass die Unioner noch mehr ins Risiko gehen mussten. Und für dieses Risiko auch mit dem erneuten Ausgleich belohnt wurden. Wenngleich dieser als glücklich bezeichnet werden muss. Zum einen weil der von Christian Burgess verursachte Handelfmeter in der 68. Minute zumindest als fraglich eingestuft werden muss, zum anderen weil Robin Knoche erst im Nachschuss den Strafstoß verwandeln konnte.
Was folgte, war eine extrem packende Schlusssequenz. Mit einem weiteren Treffer für die Gäste, die in der 72. Minute eine Einladung zu Konter und Tor durch Boniface zum 2:3 nutzen konnten. Und mit einem Alles-oder-Nichts-Schlussspurt der Eisernen, für den sie spät, sehr spät noch belohnt wurden.