Dem Sieg so nah: Union Berlin ist beim 0:0 in Amsterdam die bessere Mannschaft
Im Hinspiel des Europa-League-Sechzehntelfinals lassen die Eisernen gegen Ajax nichts zu. Die Ausgangsposition fürs Rückspiel ist ziemlich gut.

Ist das Team von Ajax Amsterdam das Team, das dem Team des 1. FC Union Berlin die Grenzen aufzeigt. Das war die Frage, die sich vor dem Duell beider Mannschaften im Sechzehntelfinale der Europa League der eine oder andere durchaus gestellt haben mag. Wir geben an dieser Stelle gleich mal eine Antwort: Nein! Im Hinspiel dieser ersten K.-o.-Runde, das am Donnerstagabend in der Johan-Cruyff-Arena über die doch sehr große Bühne ging, waren die Köpenicker allemal ebenbürtig. Ach was, sie waren beim 0:0 in vielerlei Hinsicht die bessere Mannschaft, hatten die bessere Struktur, die besseren Chancen. Es war ein klasse Auftritt, mit dem sie sich mehr verdient hatten. Ganz nüchtern betrachtet stellt dieses Remis eine ziemlich gute Ausgangsbasis für das Rückspiel am kommenden Donnerstag im Stadion An der Alten Försterei dar.
Für die Eisernen und ihre Anhänger ist so ein Europapokalabend trotz der zahlreichen, in den vergangenen Monaten gefeierten Erfolge, immer noch keine Selbstverständlichkeit, sondern eine weitere Gelegenheit zum großen Fußballfest. Wahrscheinlich sind diese Spiele gegen Ajax ja tatsächlich die größten Spiele in der Vereinsgeschichte, wenngleich das natürlich schwer messbar ist. Präsident Dirk Zingler wich kurz vor der Partie dem Superlativ aus, sagte: „Das ist ein großes Spiel in einer großartigen Zeit für uns.“ Wohl wahr.
Der gesamte Kader ist in Amsterdam zugegen
Knapp 3000 Fans waren jedenfalls per Auto, Bahn oder Flugzeug mit in die niederländische Metropole gekommen, viele davon schon am Mittwoch, um sich in den Kneipen der Stadt schon mal einzustimmen. Und hier gleich noch eine gute Nachricht: Zumindest bis zum Donnerstagabend kam es beim Ausflug der Union-Gemeinde im Gegensatz zur Rotterdam-Reise im Herbst vergangenen Jahres zu keinen bedenklichen Zwischenfällen.
Aber auch für die Union-Profis - da mag der eine oder andere auch schon mal ein Europokal- und/oder Länderspiel absolviert haben - war der Auftritt im 55.500 Zuschauer fassenden und an diesem Abend auch ausverkauften Stadion schon was Besonderes. Inklusive einer besonderen Maßnahme des Trainerstabs: Der gesamte Kader war in Amsterdam zugegen, also auch diejenigen, die es nicht in den Spieltagskalender beziehungsweise in den Europa-League-Kader geschafft hatten.

Nachdem dem eindrucksvollen Opener der Amsterdamer Stadionregie samt Lichtershow und inbrünstigem Gesang ein Ende genommen hatte, so wie die anschließende Schweigeminute für die Erdbebenopfer in der Türkei, bildete die eiserne Startelf noch mal schnell einen Kreis der Verschwörung. Mit dabei: Jérôme Roussillon, der als linker Schienenspieler zum Einsatz kam, Morten Thorsby, der den gelbgesperrten Janik Haberer ersetzte und im halbrechten Mittelfeld ran durfte, während Aïssa Bilal Laïdouni halblinks begann. Ebenso Josip Juranovic, der in Abwesenheit von Christopher Trimmel (ebenfalls gelbgesperrt) die rechte Seite bespielte. Und natürlich auch Verteidiger Danilho Doekhi und Stürmer Sheraldo Becker, für die es als ehemalige Ajax-Schüler ja so eine Art Begegnung mit der eigenen Vergangenheit war.
Union begann abwartend, klar, erst mal orientieren, erst mal die Spielstärke der Amsterdamer checken. Es war ja tatsächlich nur schwer zu erahnen, was Coach John Heitinga, der ehemalige Profi von Hertha BSC, in den ersten drei Wochen seiner Amtszeit bewegt hat und was nicht.
Das System Fischer greift auch auf holländischem Boden
Nach den ersten 30 Minuten, in denen beide Teams nicht zu einem ernsthaften Abschluss gekommen waren, konnte aber schon mal konstatiert werden, dass das System Fischer auch auf holländischem Boden inzwischen sehr gut greift. Dass auch die Ajaciden offenbar nicht so recht wissen, wie man diese Köpenicker in Bewegung bringt, zu Fehlern zwingt. Im Besonderen dank Rani Khedira, Thorsby und Laïdouni, die im Mittelfeld immer wieder als Spielverderber in Erscheinung traten, die Amsterdamer immer wieder zum Neuaufbau zwangen.
Oder andersrum: Für eine Mannschaft, die im Herbst noch in der Champions League mitgemischt hatte, war das ziemlich dünn. Nach 45 Minuten hatten die Amsterdamer nicht einmal aufs Tor von Frederik Rönnow geschossen.
Mitunter ein offener Schlagabtausch
Auf der anderen Seite hatten die Statistiker bis zum Halbzeitpfiff doch ein paar Torschüsse gezählt, wenngleich jetzt nicht von der ganz großen Chance die Rede sein konnte. Ziemlich nah dran am 1:0 waren die Unioner in der 31. und 32. Minute, als Jurrien Timber, der Ajax-Verteidiger, die Schüsse von Laïdouni und Becker blocken konnte. Beckers Schuss aus 20 Metern hätte Keeper Geronimo Rulli mit Sicherheit in eine große Verlegenheit gebracht.

Nach dem Wechsel gewann die Auseinandersetzung zwischen dem Tabellendritten der Eredivisie und dem Tabellenzweiten der Bundesliga an Attraktivität. Ja, mitunter ging man, was Fischer nicht gefallen konnte, sogar in den offenen Schlagabtausch über.
Thorsbys Treffer wird wegen eines Handspiels annulliert
Mit einer ersten Tormöglichkeit für die Gastgeber in der 51. Minute durch den zur Pause eingewechselten Brian Brobbey, der nach einem Pass von Dusan Tadic im Rücken von Doekhi auftauchte, aber den Ball nicht sauber verarbeitete, sodass der aufmerksame Rönnow klären konnte. Und mit weiteren Chancen für die Eisernen, die im Gegensatz zu ihrem Coach großen Spaß am offenen Spiel hatten. Ja, sie wollten den Sieg.
Josip Juranovic untermauerte diese Ambitionen mit einem Freistoß aus 18 Metern, den Rulli aus der Torwartecke fischte (56.). Eine Minute später flog Thorsby in eine Flanke von Juranovic, den Kevin Behrens mit einem cleveren Zuspiel in Position gebracht hatte. Doch der abschließende Kopfball des Norwegers war zu unplatziert. Rulli parierte. In der 65. Minute stand Thorsby, der eine sehr gute Leistung auf den Platz brachte, erneut im Mittelpunkt des Geschehens.
Mit großer Ruhe hatte er sich eine Flanke von Roussillon mit der Brust zurechtgelegt, mit links aus zehn Metern ins Tor getroffen und auch schon ausgiebig gejubelt. Doch dann meldete sich der VAR bei Referee Halil Umut Meler mit dem Verdacht, dass Thorsby sich in dieser Szene durch ein Handspiel einen Vorteil verschafft hatte. Meler brachte die Unioner schließlich um das Glück des Torerfolgs, annullierte den Treffer.
In der Folge besannen sich die Eisernen vor allen Dingen wieder aufs Sicherstehen. Im Sinne von Fischer, der nach diesem Remis hin- und hergerissen sein dürfte.