Die Unglaublichen: Union Berlin besiegt Ajax und zieht ins Achtelfinale ein
Europa League: Die Eisernen haben auf alles, was die Gäste einbringen, stets eine Antwort, gewinnen 3:1 und feiern einen der größten Erfolge der Klubhistorie.

Die aktuelle Mannschaft des 1. FC Union Berlin, man hat da so eine Ahnung, ist unter der Anleitung des Schweizer Fußballlehrers Urs Fischer in der Lage, Geschichte zu schreiben. Nicht nur mit einem sehr, sehr guten Abschneiden in der Liga und einem weiten, weiten Fortkommen in DFB-Pokal und/oder Europokal, sondern womöglich mit einem Titelgewinn. Wie wär's denn mit dem Gewinn der Europa League? Geht nicht? Doch, warum eigentlich nicht!
Die Runde der letzten 16 Mannschaften ist nach dem 3:1-(2:0)-Erfolg am Donnerstag im Rückspiel des Sechzehntelfinals gegen Ajax Amsterdam jedenfalls schon mal erreicht. Und wer Ajax ausschaltet, noch dazu auf so eine beindruckende Art und Weise, der kann es auch bis nach Budapest schaffen. Also ins Finale am 31. Mai, wobei einem als Anhänger der Eisernen im Hinblick auf das Saisonfinale in der Bundesliga (27. Mai) beziehungsweise im Hinblick auf das DFB-Pokalfinale (3. Juni) ganz schwindelig werden kann (die Autoren dieser Zeilen sind neutrale Beobachter des 1. FC Union, d. R.).
Bei schmuddeligem Berliner Februarwetter erzielten Robin Knoche, Josip Juranovic und Danilho Doekhi die Treffer des Tages, wobei die drei nicht nur wegen ihrer Treffer gleich mal eine Erwähnung verdient haben. Knoche, Juranovic und Doekhi agierten nämlich im Besonderen in der Defensive herausragend. Wobei gleiches auch für Diogo Leite (mit einem kleinen Makel), Rani Khedira und Jérôme Roussillon behauptet werden darf. Ach, nach so einem außerordentlichen Erfolg haben doch eigentlich alle ein Lob verdient.
Haberer darf für Thorsby ran
Fischer hatte bei seinem Startelf-Puzzle auf das Teilchen Morten Thorsby verzichtet. Was Thorsby nach seiner sehr guten Leistung beim 0:0 im Hinspiel vor acht Tagen bestimmt nicht nachvollziehen konnte. Für den Norweger rückte Janik Haberer ins Team, Mittelfeld halbrechts, während Aïssa Laïdouni seine Qualitäten auf halblinker Position einbringen sollte. Und im Sturm durfte natürlich Sheraldo Becker, der am vergangenen Sonntag beim 0:0 gegen Schalke 04 erst nach einer Stunde ins Spiel gekommen war, wieder ran.
Der 28-Jährige, bei Ajax ausgebildet, war aber erst mal weniger mit seinem eigenen Spiel als mit dem Spiel der Amsterdamer beschäftigt. Der Grund: Die Niederländer gingen zunächst mit einer ganz anderen Entschlossenheit und Schärfe zu Werke als vor einer Woche vor heimischem Publikum. Im gegnerischen Strafraum trat Becker erst in der 20. Minute erstmals in Erscheinung, nämlich als eiserner Frontmann in einem Handgemenge.
Becker und Klaasen geraten aneinander
Wie es dazu gekommen war? Nun, Juranovic hatte drei Minuten zuvor einen Eckstoß von der linken Seite nach innen getreten, auf Doekhi, der den Ball vom zweiten Pfosten zurück Richtung Tor köpfen wollte, aber mit diesem Kopfball an Calvin Bassey hängenblieb. „Hand“, schrien die Fans. Die Union-Profis monierten „Handelfmeter“, doch zunächst lief das Spiel weiter, bis Schiedsrichter Ricardo de Burgos von seinem VAR-Assistenten zum Videostudium gedrängt wurde. De Burgos korrigierte sich, zeigte auf den Punkt, um den es folglich einen heißen Tanz gab, weil Davy Klaassen in der Zwischenzeit heimlich diesen Punkt mit seinem Stollenschuh malträtiert hatte.

Ein Rudel bildete sich, Becker schubste Bösewicht Klaasen, andere beließen es beim Wortgefecht. Schließlich sahen Klaasen und Becker Gelb, während Knoche zur Tat schritt, zunächst den Punkt wieder einigermaßen in Ordnung brachte und den Strafstoß mit etwas Glück (Ajax-Keeper Geronimo Rulli hatte die linke Hand am Ball) zum 1:0 verwandelte.
In einer Jubeltraube unmittelbar vor der Waldseite kamen die Union-Profis – mit Ausnahme von Keeper Frederik Rönnow - zusammen. Der ansonsten eher zurückhaltende Knoche schlug sich mehrmals mit der Faust auf die Brust, tobte. Und die Menge ebenfalls.
Ajax-Keeper Rulli leistet Schützenhilfe
Ajax wollte darauf natürlich sogleich eine Antwort geben, mit spielerischen Mitteln den Weg zum Ausgleich finden. Das war ziemlich gut anzuschauen, aber zunächst nicht wirklich gefährlich, bis Mohammed Kudus in der 40. und 43. zweimal zum Abschluss kam, dabei aber jeweils um ein paar wenige Zentimeter im Abseits stand.
Was macht man, um die Nerven des eigenen Trainers wieder zu beruhigen? Na, klar, ein Tor. Wenngleich Juranovic in der 44. Minute dabei von Rulli Schützenhilfe erhielt. Der Schuss des Kroaten aus 20 Metern war jedenfalls nicht so richtig scharf und auch nicht so richtig gut platziert, doch Rulli gab den Flutschfinger, war schließlich ganz verzweifelt, nachdem der Ball ins Netz gesaust war.

Dieses Tor kurz vor der Pause hatte zur Folge, dass sich nach der Pause ein ziemlich wildes Spiel entwickelte. Und das vom Wiederanpfiff weg. Mit dem Anschlusstreffer durch Kudus in der 47. Minute, nachdem sich in der eisernen Abwehr bei einer Flanke von Steven Bergwijn wegen einer kurzen Unachtsamkeit von Leite ein Zuordnungsproblem ergeben hatte. Mit dem Treffer zum 3:1 in der 50. Minute durch Doekhi, der wie schon beim Handelfmeter zum 1:0 nach einem Eckball von Juranovic zur Stelle war, dieses Mal aber den Ball über die Fäuste von Rulli hinweg mit dem Kopf ins Tor wuchtete.
Ajax-Coach Heitinga wird laut
Die Maxime für die Gäste lautete nunmehr: Alles oder Nichts. Dementsprechend laut waren auch die Anweisungen ihres Trainers John Heitinga, der zum einen mit ansehen musste wie Referee de Burgos nach einem Zweikampf zwischen Klaasen und Leite seiner Mannschaft einen möglichen Strafstoß untersagte (58.), zum anderen Kudus nur drei Minuten später aus zehn Metern freistehend das Tor nicht traf. Aber nicht nur das: Schließlich wurde der ehemalige Hertha-Profi zu seinem Leidwesen auch Zeuge, wie Union wieder Kontrolle über das Geschehen gewann und bei Gegenangriffen gleich mehrere gute Chancen zum 4:1 hatte.
Becker scheiterte dabei zweimal an Rulli (70. und 84.), schoss einmal aus aussichtsreicher Position drüber (72.). Und auch der eingewechselte Thorsby war ziemlich nach dran an einem persönlichen Glücksmoment, köpfte aber übers Tor. Der Mittelfeldspieler wird es in Anbetracht der Aussicht auf ein Achtelfinale gegen einen möglicherweise sehr namhaften Gegner verschmerzen können.