Unions irre Erfolgsserie: Urs Fischer erklärt das Unerklärliche
Der 1. FC Union Berlin siegt munter weiter. Die Fans feiern ausgelassen, auch weil Trainer Urs Fischer zum wiederholten Male ein goldenes Händchen beweist.

Der Statistik-Zettel sprach eindeutig eine uneindeutige Sprache. Das Spiel des 1. FC Union Berlin gegen den FSV Mainz 05 war nahezu ausgeglichen. 9:10 Torschüsse. 13:11 Flanken. 5:5 Eckbälle. 50 Prozent Ballbesitz hier, 50 Prozent Ballbesitz da. In Sachen gewonnener Zweikämpfe hatten die Gäste aus Rheinhessen mit 56 Prozent sogar die Nase ein Stück weit vorne. Nur das Ergebnis war nicht ausgeglichen. Die Köpenicker hatten den Gegner mit 2:1 niedergerungen, schwimmen damit weiter auf der Erfolgswelle.
Bo Svensson, der Trainer der Mainzer, wirkte auf der Pressekonferenz nach der Partie einigermaßen konsterniert. Seiner Mannschaft wollte er ob des couragierten Auftritts im Stadion An der Alten Försterei keinen Vorwurf machen. „Ich finde“, sprach der Däne das aus, was sich sicher einige der Anwesenden dachten, „dass wir einen Punkt verdient gehabt hätten“.
Sein Gegenüber, Urs Fischer, wollte der Einschätzung Svenssons nicht widersprechen. Nach dem 1:1-Ausgleich durch den verwandelten Handelfmeter von Ex-Union-Profi Marcus Ingvartsen sah es zehn Minuten vor Schluss ja auch so aus, als ob sich beide Teams am Ende mit einem Zähler begnügen müssten. Man hätte sich fair die Hand gegeben und niemand hätte so wirklich böse sein können.
Doch es kam anders: Joker Jordan Siebatcheu beendete seine monatelange Torflaute, traf sechs Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit zum siegbringenden 2:1 und hinterließ im Stadion freudetrunkene Unioner, frustrierte Mainzer (1200 waren aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt mitgereist) und fragende Gesichter auf der Pressetribüne. Wie hatte es Union schon wieder geschafft, ein so knappes Spiel auf die eigene Seite zu ziehen?
„Die Mannschaft hat einen unermüdlichen Aufwand betrieben. Dann kommt zwischendurch auch das nötige Spielglück“, versuchte sich Fischer an einer Antwort. „Mein subjektives Gefühl von außen war, dass die Jungs bis zum Schluss versucht haben, offensiv etwas zu kreieren und das Spiel zu gewinnen. 39 Punkte geben dir auch das nötige Selbstvertrauen.“
Urs Fischers goldenes Händchen
Zur Wahrheit gehörte einmal mehr auch, dass der Schweizer bei seinen Einwechslungen ein goldenes Händchen bewies. Gegen Hoffenheim hatte Jamie Leweling als Einwechselspieler getroffen, im Derby bei Hertha BSC war es Paul Seguin und zuletzt im Pokal gegen Wolfsburg Kevin Behrens. Gegen Mainz wechselte Fischer nach dem Gegentor dreifach: Niko Gießelmann, Morten Thorsby und Jordan Siebatcheu kamen aufs Feld. Fünf Minuten später flankte Gießelmann, Thorsby legte ab und Siebatcheu schoss ein.
„In erster Linie machen das die Jungs selbst“, wollte Fischer keine Komplimente für seinen offenbar richtigen Riecher entgegennehmen. „Ich erwarte, dass sie Dampf machen, wenn sie aufs Feld kommen.“ Insbesondere dem Torschützen hatten das zuletzt nicht mehr alle Beobachter zugetraut. Kevin Behrens, der nach 32 Minuten die Führung besorgte, hatte dem Königstransfer des vergangenen Sommers zuletzt mehr und mehr den Rang abgelaufen. Jordan Siebatcheu merkte man das fehlende Selbstvertrauen an. Tiefpunkt war sein verschossener Strafstoß zum Jahresauftakt gegen Hoffenheim.

„Was gibt es schöneres, wenn du als Trainer die Qual der Wahl hast?“, stellte Fischer, angesprochen auf seine beiden Stürmer, eine rhetorische Frage in den Raum. Für Siebatcheu, der zuletzt am siebten Spieltag gegen Wolfsburg getroffen hatte, freute sich der Coach ganz besonders. Er weiß, dass die Treffer des US-Amerikaners noch gebraucht werden, will man die Euphoriewelle auch weiterhin reiten.
Schon am kommenden Sonnabend (18.30 Uhr) wartet die bislang schwerste Aufgabe in diesem Jahr. Bei RB Leipzig, dem in Köpenick ganz besonders ungeliebten Brause-Klub, geht's im Top-Spiel der Bundesliga gegen eine Mannschaft, die 2023 ebenfalls noch nicht verloren hat. Die letzten vier Duelle hat Union gegen die Sachsen ausnahmslos gewonnen.