Mit den eigenen Tugenden: 1. FC Union betreibt gegen Frankfurt Wiedergutmachung
In einem wichtigen Spiel im Kampf um die Europapokalplätze ist der Treffer von Rani Khedira der Knackpunkt. Danach ist das Spiel wieder „unionlike“.

Ein Knäuel der Erlösung war das, was sich da kurz nach der Pause vor der linken Eckfahne an der Waldseite des Stadions An der Alten Försterei über Rani Khedira auftürmte. Nicht eins der schönsten, aber eben eins dieser typischen Tore des 1. FC Union war diesem Jubelexzess vorausgegangen und sollte maßgeblich den weiteren Spielverlauf und den späteren 2:0-Sieg (0:0) der Eisernen gegen Eintracht Frankfurt begünstigen. Im Duell der Enttäuschten setzte sich der Gastgeber am Ende verdient durch, kletterte damit auf Platz drei der Tabelle.
Die Herausforderung für Urs Fischer und Oliver Glasner hätte ähnlicher kaum sein können. Im Vorfeld des direkten Aufeinandertreffens hatten beide Trainer kaum Zeit zur Aufarbeitung des Einzelspiels am Mittwoch (Frankfurt in Neapel) und Donnerstag (Union bei Saint-Gilloise) und zur Einordnung des Erreichten im Gesamten. Nach jeweils einem 0:3 im Rückspiel endete das internationale Abenteuer für beide Vereine in dieser Saison, galt der Fokus ab Sonntag nun den beiden nationalen Wettbewerben. Und da möchte es einerseits der Spielplan der Bundesliga, andererseits die Auslosung im DFB-Pokal, dass die Duelle beider Teams Einfluss auf die Schlussphase der Saison nehmen.
Urs Fischer fordert von den Spielern des 1. FC Union eine Reaktion
Während es bis zum DFB-Pokal-Viertelfinale in Frankfurt am 4. April noch ein paar Tage dauert, ging es am Sonntag um wichtige Punkte im Kampf um einen internationalen Startplatz in der kommenden Spielzeit. Nach der Niederlage von RB Leipzig in Bochum konnte der 1. FC Union sogar auf den dritten Tabellenplatz klettern. Zusätzlich aber bot sich gerade für die Eisernen in ihrem Heimspiel die Chance zur Wiedergutmachung, wie Urs Fischer im Vorfeld der Partie am Mikrofon von DAZN deutlich formulierte. Nicht die Niederlage am Donnerstag als solche, die Art und Weise des Zustandekommens hatte den Union-Trainer verstimmt. Als nicht „unionlike“ wurde der Auftritt bezeichnet und ließ Fischer deutliche Worte in Richtung seiner Spieler finden. „Wir wollen eine Reaktion zeigen. Es geht um unsere Tugenden, die uns dahin gebracht haben“, hatte er seiner Mannschaft gesagt.
Für diese Reaktion hatte der Schweizer mit fünf personellen Änderungen reagiert: Paul Seguin, Janik Haberer, Niko Gießelmann, Timo Baumgartl und Jordan Siebatcheu ersetzten Diogo Leite, Jerome Roussillon, Aissa Laidouni, Morten Thorsby sowie Sven Michel. Die Wechsel hatten – insbesondere beim zuletzt nicht ganz fehlerfreien Leite, der sich am Freitag über seine Nominierung für die EM-Qualifikationsspiele mit der portugiesischen Nationalmannschaft freute – sportliche Gründe, andererseits aber ging es für den Trainer dabei um Frische – „physisch, aber auch mental“.
Geistige und körperliche Frische sind schließlich die zwei bestimmenden Komponenten, die für die DNA des 1. FC Union unabdingbar sind. Und die vom Trainer verordnete Frischzellenkur wirkte sich am Sonntag von Beginn an sichtbar positiv aus. Aus der gewohnten Grundordnung des 3-5-2-Systems erschien das Team defensiv nicht so fehlerbehaftet wie noch in den beiden Spielen gegen Saint-Gilloise, in denen die Mannschaft sechs Gegentore kassierte.

In der Offensive wirkte das Spiel zielstrebig und schnörkellos. Rani Khedira etwa, auf den Fischer auch diesmal nicht verzichtete, weil er der Mannschaft Stabilität und Gleichwicht gebe, aber auch ein Taktgeber sei, untermauerte die These des Trainers mit einem Schuss, der in der sechsten Minute nur knapp das Tor verfehlte. Haberer versuchte sich nach einer Frankfurter Abwehraktion direkt an einem Fernschuss (21.), per Freistoß wurde der Kopf von Siebatcheu gesucht (31.). Den Ballbesitz überließen die Eisernen größtenteils der Eintracht – das wirkte in Summe alles schon wieder mehr „unionlike“ als das, was die Spieler zuletzt selbst kritisieren mussten.
Trotzdem brauchte es in der 34. Minute eine Glanztat von Torwart Frederik Rönnow, der in seinem 50. Bundesligaspiel gegen den völlig frei stehenden Daichi Kamada per Fußabwehr den Rückstand verhinderte. Auf der Gegenseite wehrte Nationaltorhüter Kevin Trapp einen strammen Fernschuss von Seguin ab. Das torlose Remis nach 45 Minuten hatte noch etwas von Wiedergutmachung in einer Light-Variante, war aber ein Anfang.
Rani Khedira stellt die Weichen in Richtung Sieg gegen Frankfurt
Ein größerer Schritt war da schon das 1:0 kurz nach dem Seitenwechsel. Nach einem dieser gefährlichen Union-Standards, diesmal einer Ecke, verlängerte Siebatcheu, stocherte Robin Knoche den Ball zu Khedira, welcher die Kugel stoppte und aus kurzer Distanz zur Führung traf (53). Kaum zu glauben, dass es sich dabei um das erste Pflichtspieltor des Taktgebers der Eisernen im Trikot des 1. FC Union handelte.
Das spielte der Mannschaft von Urs Fischer freilich wieder einmal in die Karten. So eine eigene Führung begünstigt schließlich das System der Unioner, die mit Ballgewinnen und Umschaltsituationen zu den besten Teams der Bundesliga gehören. Was das wegen Abseits aberkannte Tor von Sheraldo Becker deutlich unter Beweis stellte. Was dem in dieser Situation glücklosen Flügelflitzer verwehrt blieb, feierte der eingewechselte Kevin Behrens – diesmal an der rechten Eckfahne –, nachdem er einen Abschlag von Rönnow selbst per Kopf verlängerte, den Ball wiederbekam und diesen durch die Beine von Trapp zum 2:0 verwandelte (75.). Das war doch schon wieder sehr „unionlike“.