Wieder Tabellenführer: Der 1. FC Union Berlin setzt den FC Bayern unter Druck

Mit einem 2:1-Sieg gegen den FSV Mainz 05 setzen die Eisernen ihre Erfolgsserie fort, gewinnen auch das fünfte Pflichtspiel nach dem Jahreswechsel.

Ein mittlerweile gewohntes Bild beim 1. FC Union: Gemeinsamer Jubel über einen Treffer.
Ein mittlerweile gewohntes Bild beim 1. FC Union: Gemeinsamer Jubel über einen Treffer.Huebner/Imago

So langsam kommt der  1. FC Union Berlin an den Punkt, wo es ein neues Saisonziel auszurufen gilt. Mit dem 2:1 (1:0)-Sieg gegen den FSV Mainz 05 haben die Eisernen am Sonnabend die Punkte 37 bis 39 eingefahren - ein Zähler fehlt also noch bis zur 40-Punkte-Marke, welche man als Schallmauer für den Klassenerhalt bezeichnet. 39 Punkte, so viele hat bislang noch kein Team der Bundesliga gesammelt. Lediglich der FC Bayern München kann die Eisernen am Sonntag von der Spitze verdrängen.

Selten bis nie dürfte vor dieser Partie ein Nicht-Transfer für so viel Gesprächsstoff bei den Köpenickern, wenn nicht gar in der gesamten Bundesliga gesorgt haben. Nicht auszudenken, was am Sonnabendnachmittag in der Alten Försterei losgewesen wäre, hätte Superstar Isco erstmals im Kader des 1. FC Union Berlin gestanden. Die Strahlkraft dieses Fast-Transfers war selbst in den Tagen danach noch les- und hörbar, als hier wie dort, in Deutschland wie Spanien, immer wieder von möglichen Gründen des Scheiterns einer Unterschrift in Berlin zu lesen.

Michael Parensen lässt sich keine neuen Isco-Details entlocken

War am Dienstagabend bereits Geschäftsführer Oliver Ruhnert dazu nicht viel zu entlocken, so musste auch Michael Parensen noch einmal Fragen zu Isco beantworten und damit spüren, dass es eben kein gewöhnlicher Profi war, den die Unioner da verpflichten wollten. Doch auch der Zweitliga-Rekordspieler der Eisernen blieb im Duktus des Bundesliga-Zweiten, sprach als mittlerweile technischer Direktor von „Grenzen“, die der Verein gezogen hat und die er nicht überschreiten wolle.

Wohlwissend, dass der 1. FC Union in den vier Jahren seiner Bundesliga-Zugehörigkeit diese Grenzen von Saison zu Saison selbst verschoben hat. Der sportliche Erfolg durch Qualifikationen für die Conference und Europa League haben den Klub auch wirtschaftlich rasant wachsen lassen. Die über die vergangenen Spielzeiten vorgenommenen Anpassungen bei den Transferaktivitäten haben erst im Wintertransferfenster – auch ohne Isco, aber in den WM-Fahrern Aissa Laidouni und Josip Juranovic sowie Jérome Rousillon – dafür gesorgt, dass die Mannschaft auf allen Positionen doppelt besetzt ist und Trainer Urs Fischer mit Blick auf die Belastungssteuerung, aber auch die Leistungen in den vorangegangenen Spielen aufstellen kann.

Jerome Rousillon (Mitte) rückte gegen Mainz wieder in die Startelf des 1. FC Union Berlin
Jerome Rousillon (Mitte) rückte gegen Mainz wieder in die Startelf des 1. FC Union BerlinMathias Renner/City-Press

Gegen den FSV Mainz 05 sahen diese Anpassungen wie folgt aus: Positionsgetreu rückten Christopher Trimmel für Josip Juranovic, Kevin Behrens für Jordan Siebatcheu und Jerome Rousillon für Niko Gießelmann im Vergleich zum Pokalsieg gegen den VfL Wolfsburg in die Startelf. Denn: Das Duell mit der Mannschaft von Bo Svensson bot nicht nur die Gelegenheit auf drei weitere Zähler für das Erreichen des Saisonziels Klassenerhalt, sondern sogar den Sprung an die Tabellenspitze, die die Eisernen am 13. Spieltag an den FC Bayern hatten abgeben müssen.

Unterschiedliches Personal, identisches System: Genau wie der 1. FC Union agierten die Mainzer im flexiblen 5-3-2, reihten sich mit zwei Perlenketten in der Defensive auf, setzten die beiden Außenverteidiger für die Offensive ein. Davon war allerdings in der Anfangsphase nicht viel zu sehen. Die Köpenicker starteten dominant, drängten die Mainzer in die eigene Hälfte und sorgten mit einer Doppelchance nach gut zehn Minuten für erste Torgefahr. Zunächst prüfte Roussillon auf Flanke von Trimmel den Mainzer Schlussmann mit einem Flachschuss, eine weitere Hereingabe von Trimmel köpfte Rani Khedira knapp neben den Kasten von Finn Dahmen.

Die Sache mit der Fokussierung bei all den sportlichen Höhepunkten der zurückliegenden und kommenden Tagen also schien bei der Elf von Urs Fischer im Duell mit dem vermeintlich kleinsten Gegner kein Problem zu sein. Vier Siege in vier Pflichtspielen des Jahres 2023, dreimal nach Rückstand, hatten der Mannschaft Sicherheit und ein gewisses Selbstverständnis gegeben, das sich in Zahlen wie Ballbesitz und Torschützen statistisch ausdrückte. Und doch wurde aus gefühlter Dominanz Mitte der ersten Hälfte Leerlauf – Ballbesitz hoch, Zahl der Torraumszenen niedrig.

Paul Seguin flankt, Kevin Behrens trifft zur Union-Führung

Mainz hielt gut mit, versuchte es mit eigenen Offensivakzenten, aber öffnete damit auch ein wenig von diesem Raum, den der 1. FC Union nachweislich schon häufig für Tore genutzt hat. Und so nahm Paul Seguin den ihm gebotenen Platz auf der rechten Seite dankbar an, flankte in den Sechszehner, wo Trimmel den Ball am kurzen Pfosten mit dem Kopf nicht erreichte, Behrens aber in der Mitte des Fünfmeter-Raums goldrichtig stand und zum 1:0 traf (31.).

Bereitete das 1:0 des 1. FC Union Berlin gegen Mainz vor: Paul Seguin (r.)
Bereitete das 1:0 des 1. FC Union Berlin gegen Mainz vor: Paul Seguin (r.)Mathias Renner/City-Press

Mit der Führung im Rücken kontrollierten die Eisernen die Partie, ließen bis zur Pause nichts mehr zu und verteidigten alle Mainzer Angriffe ohne große Probleme. Auch wenn Urs Fischer vor dem Spiel wieder einmal sagte, dass die Tabelle erst nach 34 Spieltagen wichtig ist, dürfte jeder Union-Fan schon zur Halbzeit stolz darauf gewesen sein, die eigene Mannschaft an der Spitze der Bundesliga zu sehen.

Urs Fischer schien das Gesehene der ersten 45 Minuten gefallen zu haben, auf personelle Veränderungen zur Pause verzichtete der Trainer. Und wie schon im ersten Durchgang agierte seine Mannschaft auch nach dem Seitenwechsel dominant und kontrolliert. Der 1. FC Union kann eben nicht nur auf Rückstände reagieren und Spiele drehen, sondern auch knappe Vorsprünge verwalten. Ganz im Stile eines Tabellenführers.

Das knappste aller möglichen Ergebnisse aber birgt auch immer eine Gefahr: Ein Fehler reicht und drei Punkte schrumpfen auf einen. Solch ein Fehler sollte ausgerechnet dem in diesem Jahr gut aufgelegten Seguin unterlaufen. Nach einem Eckball hatte er die Körperfläche mit dem rechten Arm vergrößert, was dem VAR aufgefallen war und von Schiedsrichter Florian Badstübner nach Betrachtung der Videobilder auf den Elfmeterpunkt zeigen ließ. Der ehemalige Unioner Marcus Ingvartsen verwandelte und glich damit aus (78.). 

Mit Gegentoren aber kann der 1. FC Union umgehen. Und welch schönere Geschichte für das 2:1 hätte es geben können, als die des kurz zuvor eingewechselten Siebatcheu. Seit dem siebten Spieltag hatte der Stürmer keinen Treffer mehr erzielt, musste gegen Mainz 79 Minuten zuschauen, aber wurde zum gefeierten Helden. Der ebenfalls eingewechselte Morten Thorsby legte eine Flanke per Kopf ab und Siebatcheu verwandelte mit einem satten Schuss ins Glück (84.). Auf den Rängen der Alten Försterei feierten die Fans kurz darauf die nächsten drei Punkte ihrer Mannschaft. Dort spricht schon lange niemand mehr vom Klassenerhalt, dort träumt man von der Champions League. Beim Blick auf die Tabelle ist das nicht verwunderlich.