Leute, habt ihr sie noch alle? Schmähungen in Leipzig haben Grenze überschritten

Die Banner gegen RB-Geschäftsführer Max Eberl waren echten Union-Fans unwürdig. Warum hat niemand für Hygiene in den eigenen Reihen gesorgt?

Geschmacklose Hassbanner von Fans des 1. FC Union Berlin im Leipziger Stadion
Geschmacklose Hassbanner von Fans des 1. FC Union Berlin im Leipziger StadionRobert Michael/dpa

Was ist nicht schon alles Gutes, Schönes, Bestes über die Anhänger des 1. FC Union gesagt und geschrieben worden. Emotionales war dabei, sogar Herzzerreißendes. Nur wer weiß, was es bedeutet, von ganz unten gekommen zu sein, aus der Oberliga Nordost und dort manches Mal verspottet und nicht ernst genommen worden zu sein, der bekommt beim Heute mit Rang zwei in der Bundesliga und den bevorstehenden Play-offs für die Europa League gegen Ajax Amsterdam nichts anderes als Gänsehaut.

Mit Lob sind sie überschüttet worden während des Neubaus des Stadions. Ein Denkmal ist ihnen gesetzt worden, weil sie sich mit dem Ballhaus des Ostens selbst eines gesetzt haben. Von überall sind Reporter samt Kamerateams gekommen, um das Einzigartige, Grandiose, Weihnachtssingen inklusive, in die entferntesten Ecken der Welt zu bringen. Nirgendwo, so die Meinung zwischen Bremen und Freiburg im vierten Jahr der Eisernen in der Bundesliga, sei der Support von den Rängen derart grandios und nachahmenswert, ursprünglich, ehrlich und mit Choreos, die den Oscar verdient hätten. Anderswo ziehen sie den Hut vor diesen Fans, weil die ihr Team selbst nach horrenden Niederlagen so feiern, als hätte es gerade den x-ten Titel geholt oder sich zumindest für das Pokalfinale qualifiziert.

Entgleisung der Union-Fans in Leipzig

Und dann das! In Leipzig! Bei einem Triumph gegen den Lieblingsfeind! Diese Entgleisung! Dieses Gift! Diese Hässlichkeit und Gemeinheit! Wenn jemand mit Erfahrung, nicht nur im Fußball, sondern gerade im Leben, ans „Bluten für Union“ denkt und nun wie in Leipzig regelrechte Schmähbanner gegen den Manager des Gegners liest, dem blutet in der Tat das Herz. Dem kommen die Tränen, weil jemand wie Max Eberl in einem seiner schwersten Momente seine wundeste Stelle geöffnet hat, genau in diese Wunde aber diese gefühllosen (tut mir leid, für mich sind es welche) Idioten hineinstechen.

Leute, habt ihr sie noch alle? Es ist Fußball, die angeblich schönste Nebensache der Welt. Gewinnen wollen alle, schon klar. Aber so? Hey, denkt bloß nicht, dass dabei alles erlaubt ist und alles toleriert wird. Vor allem dann, wenn es ins Persönliche abgleitet, ins Intime. Im Fall von Max Eberl, da gibt es keinen Millimeter zurück, wurde eine Grenze überschritten, und zwar schamlos.

Kriegt ihr nicht mit, dass Burnout eine schlimme Krankheit ist und sich derjenige glücklich schätzen darf, der dieser Finsternis entkommen ist? Habt ihr kein Gefühl für jemanden, der seelisch am Boden liegt und in manchen Fällen um Hilfe regelrecht bettelt? Wer gibt euch das Recht, auf diesen Menschen, der sich aus seinem dunklen Loch befreit hat und glücklicherweise wieder die Sonne wahrnimmt, draufzutreten, nur weil der einen Verein entwickeln und weiterbringen will, der euch nicht passt?

Habt ihr Robert Enke vergessen, den Jungen aus Jena, der sich mit 32 Jahren das Leben nahm, weil seine Psyche nicht stabil genug war? Könnt ihr nicht ermessen, in welchem Schacht jemand wie Sebastian Deisler gesteckt haben muss, als der sich mit gerade 27 Jahren aus der Öffentlichkeit verabschiedet hat, weil er am Ende seiner seelischen Kräfte sei? Denkt niemand mehr an Andreas Biermann, der, als es selbst dem 1. FC Union nicht gut ging und der Verein in der Regionalliga spielte, das eiserne Trikot trug, er seine tiefwunde Seele in einem Buch öffnete, seiner Krankheit mit 34 Jahren aber doch erlag?

Was unerklärlich bleibt: Gibt es unter euch niemanden, der die Zivilcourage hat, derartige Auswüchse zu verhindern? Hat niemand den Schneid, für Hygiene in den eigenen Reihen zu sorgen? Ihr wollt doch sonst die Besten sein. Seid es hierbei auch!

Für das Spiel morgen in Amsterdam, für das am Sonntag in der Alten Försterei gegen Schalke und für alle anderen gilt: Support vom Feinsten! Unterstützung so, dass es die von einem Union-Fan ist, eisern und niemals vergessen! Doch für das, was einige von euch in Leipzig geritten hat, gibt es zwei Ratschläge. Der erste: Schämt euch in Grund und Boden! Der zweite: So etwas nie wieder!