Mattuschka: Isco bei Union Berlin? „Jeder hätte nur auf ihn geguckt“
Im Exklusiv-Interview mit der Berliner Zeitung spricht Torsten Mattuschka Klartext zur aktuellen Situation seines Herzensklubs und zum Nicht-Transfer von Isco.

Hört man den Namen Torsten Mattuschka, denkt man reflexartig an den 1. FC Union Berlin. Er war Kapitän der Köpenicker, Publikumsliebling, Identifikationsfigur für Tausende Anhänger und ist mittlerweile Vereinsbotschafter. Mattuschka lediglich mit den Eisernen in Verbindung zu bringen, wird dem 42-Jährigen allerdings gar nicht gerecht.
Der gebürtige Cottbusser ist ein Tausendsassa. Teilhaber und Namensgeber von Tusches Kick and Rush, einer Fußball-Kneipe in Köpenick, Co-Trainer bei Regionalligist VSG Altglienicke und mittlerweile auch eines der bekanntesten Gesichter beim Bezahlsender Sky. Dort erklärt er den Fans beim Top-Spiel am Sonnabend regelmäßig den Zweitliga-Fußball.
Neben all seinen Verpflichtungen schlägt sein Herz aber weiterhin vor allem rot und weiß. Für Union Berlin spielte er neun Jahre (2005–2014) und verfolgt das Geschehen rund um das Stadion An der Alten Försterei bis heute sehr aufmerksam. Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht er über den aktuellen Höhenflug des Vereins, den geplatzten Isco-Transfer und verrät, warum er nicht an ein Weiterkommen in der Europa League gegen Ajax Amsterdam glaubt.
Herr Mattuschka, wie viele Spiele des 1. FC Union Berlin können Sie angesichts Ihrer Umtriebigkeit überhaupt noch verfolgen?
Am Wochenende sehe ich die Spiele eher selten, weil ich für Sky unterwegs bin. Beim Pokalspiel gegen Wolfsburg war ich aber zuletzt im Stadion und das Derby bei Hertha habe ich mir vor dem Fernseher angeschaut. Manchmal gucke ich die Spiele unterwegs im Zug, da ist der Empfang aber oft suboptimal. Die Partien, die ich gesehen habe, waren vor allem die Europa-League-Spiele am Donnerstag.
Bei dem aktuellen Höhenflug der Mannschaft wird immer wieder auf den großartigen Teamgeist verwiesen. Das kann doch aber nicht alles sein.
Nein, natürlich nicht. Der Teamgeist ist die Basis dafür, dass es aktuell so gut läuft, aber einen ganz großen Anteil hat auch das Trainerteam. Das System hat die Mannschaft perfektioniert. Das 5–3–2 gegen den Ball, das 3–5–2 mit Ball, da stimmt einfach alles von vorne bis hinten, auch die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen sind optimal. Generell werden Kleinigkeiten perfektioniert. Das geht der Mannschaft zwar manchmal auf den Sack, so etwas macht dann aber den Erfolg aus.
Und Unions Stärke bei Standards ist auch nahezu einmalig, oder?
Ich weiß, dass Sebastian Bönig (Co-Trainer; Anm. d. Red.) dafür sehr viel Zeit von Urs Fischer bekommt. Das wird im Training immer und immer wieder geübt. Aufgrund all dieser Faktoren hat sich der Verein in der Bundesliga bei den Gegnern mittlerweile einen riesengroßen Respekt erarbeitet.

Dazu scheint Oliver Ruhnert ein goldenes Händchen bei seinen Spieler-Verpflichtungen zu haben.
Ich bin zu weit weg, um seine Arbeit im Detail beurteilen zu können, aber das Scouting bei Union Berlin ist sensationell. Man führt natürlich zwei bis drei Gespräche mit einem potenziell neuen Spieler, aber schon davor kann man sehr akribisch arbeiten. Wie geht derjenige bei seinem Noch-Verein mit Widerständen um? Geht derjenige nur voran, wenn es insgesamt in der Mannschaft passt, oder tut er das auch, wenn es mal nicht so läuft? Mit welcher Intensität macht er sich vor dem Spiel warm? Das denkt man als Fan im ersten Moment alles nicht, aber da schaut Union vermutlich ganz genau hin.
Das klingt alles durchgehend positiv. Birgt der momentane Aufschwung denn auch Gefahren?
Ich glaube nur, dass es schwierig werden könnte, wenn man vergisst, wo man herkommt. Das Gefühl habe ich bei den handelnden Personen aber nicht. Und gegen die Erwartungshaltung im Umfeld kannst du als Verein ohnehin nichts tun, die entwickelt sich von ganz allein. Die Fans, die dem Klub seit 20 oder 30 Jahren treu sind, wissen aber ganz genau, was sie da gerade erleben dürfen.
Mattuschka: „Die jungen Spieler müssen alle mehr Geduld haben“
Wäre die Verpflichtung von Isco denn auch eine mögliche Gefahr gewesen?
Ich hätte mich wie viele andere gefreut, so einen Superstar hier zu haben. Aber wer weiß denn, ob er am Ende wirklich fußballerisch funktioniert hätte? In der Mannschaft. Im System. Vielleicht hätte er das komplette Gefüge auch durcheinandergebracht. Jeder hätte doch nur noch auf diesen Menschen geguckt. Jedes Spiel wäre auch ein bisschen hinsichtlich seiner Leistung bewertet worden. Auf jeden Fall war es gut, dass der Verein in den Verhandlungen bis zum Schluss eisern geblieben ist.
Union könnte sich die Superstars ja auch selbst schaffen. Warum schafft es seit Jahren kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs dauerhaft in den Bundesliga-Kader?
Auf dem sportlichen Niveau, auf dem Union mittlerweile unterwegs ist, wird dieser Anspruch natürlich zunehmend schwieriger. Ich glaube, dass die Jungs heutzutage generell alle ein wenig mehr Geduld haben müssen. Wenn ich bei einem Verein wie Union Berlin nicht gleich spiele, würde ich als junger Spieler jede einzelne Trainingseinheit aufsaugen. Lernen von den älteren Spielern, aber trotzdem rotzfrech sein. Das würde ich mir sechs Monate oder ein Jahr anschauen und dann in die Regionalliga gehen, um dort Spielpraxis zu sammeln. Es gibt aber ein Problem ...
Erzählen Sie.
... Viele Spieler, die in der U19-Bundesliga spielen, denken, dass sie im Herren-Bereich locker in einem Zweitliga-Kader stehen oder zumindest in der Dritten Liga spielen könnten. Das ist aber einfach nicht die Realität. Wenn du es schaffst, in der Regionalliga deine Minuten zu bekommen, dann ist das für einen jungen Spieler schon ein richtig geiler Schritt. Das nehmen viele überhaupt nicht wahr.
Für die Profis stehen in den nächsten Wochen die beiden Highlight-Spiele gegen Ajax Amsterdam auf dem Programm. Trauen Sie der Mannschaft dort das Weiterkommen zu?
Wenn Ajax nicht gerade den Trainer gewechselt hätte, stünden die Chancen von Union besser. Es geht darum, im Hinspiel in Amsterdam ein gutes Ergebnis zu erzielen, denn der Gegner weiß nicht ganz genau, was im Rückspiel an der Alten Försterei auf ihn zukommt. Ich glaube aber, dass sich Ajax über die beiden Spiele durchsetzen wird, auch wenn ich das natürlich nicht hoffe. Deren Qualität ist zu hoch.
Und wo landet Union Berlin am Saisonende?
Wenn es wieder ins internationale Geschäft geht, war es eine sensationelle Saison.
Auch auf Platz fünf oder sechs?
Überlegen Sie mal genau, über was wir hier reden. „Auch“ Platz fünf oder sechs? Wenn man das noch vor einem Jahr gefragt hätte, hätte einen doch jeder für völlig verrückt erklärt. Wenn man nur Siebter oder Achter werden sollte, darf nicht das Gefühl entstehen, es wäre eine schlechte Saison gewesen.
Das Interview führte Nils Malzahn.