Union Berlin in der Einzelkritik: Von Verteidigungskünstlern und einem Big Deal

Der 1. FC Union feiert in Leipzig seinen fünften Sieg in der Bundesliga in Serie, dank tadelloser Abwehrkräfte und einem Sonntagsschussschützen am Sonnabend.

Trifft am Sonnabend mit einem Sonntagsschuss: Janik Haberer.
Trifft am Sonnabend mit einem Sonntagsschuss: Janik Haberer.imago/Contrast

Herausragend

Danilho Doekhi: Es war schon in der Sommervorbereitung zu sehen, dass die Scouts des 1. FC Union Berlin mit dem Niederländer einen Spieler mit unglaublichem Potenzial entdeckt haben. Nun ist Doekhi nach der Wintervorbereitung auf einem Level, das ihn zu einem Kandidaten für den Big Deal macht. Soll heißen: Dass Union mit ihm auf dem Transfermarkt womöglich schon bald eine sehr, sehr hohe Ablösesumme erzielt. Für das Spiel gegen Leipzig drängen sich im Zusammenhang mit seiner Leistung nur zwei Fragen auf. Erstens: Wo war eigentlich Timo Werner? Zweitens: Wo war eigentlich André Silva?

Robin Knoche: Schon bald ist wieder Länderspiel, nämlich im März - und Unions Abwehrchef ist ein Kandidat für eine Nominierung. Ach was, wenn Bundestrainer Hansi Flick den 30-Jährigen dieses Mal übergehen sollte, darf schon wieder mal an Flicks Tauglichkeit als Bundestrainer gezweifelt werden. Knoche ist eine Bank, derzeit Deutschlands coolster Defender. Und wie er mit Rani Khedira das Zentrum verdichtet, ist einfach nur hohe Verteidigungskunst. Da ein Fuß, hier ein Zupfer ... und das Spiel eröffnen kann er auch spielerisch, wenn sich die Möglichkeit bietet. Zudem kann er Elfmeter schießen, wie sich in der 71. Minute zeigte.

Rani Khedira: Was in Bezug auf Flick für Knoche gilt, gilt auch für Khedira. Der 29-Jährige ist derzeit Deutschlands bester Sechser, also nicht Khediras Kumpel Joshua Kimmich. Auch gegen Leipzig ist ihm nicht alles gelungen, da ein Fehlpass, da ein überflüssiges Foul, aber das ist ihm egal. Khedira ist stabil und das beste Beispiel, wie ein Fleißarbeiter zur zentralen Figur einer Mannschaft werden kann.

Gut zu Fuß

Diogo Leite: Ein paar kleine Fehler beim Passen und Zweikämpfen während der ersten Hälfte sind dafür verantwortlich, dass der Portugiese nicht unter der Kategorie „Herausragend“ zu finden ist. Manchmal will er im Aufbauspiel einfach zu viel, hat damit zu kämpfen, dass die Eisernen das Spiel gern mal nicht spielerisch, sondern eher schlicht eröffnen. Als Abwehrspieler aber mindestens so gewieft wie Doekhi und Knoche. 

Janik Haberer: Trat 45 Minuten lang weder positiv noch negativ in Erscheinung, was an sich zu wenig für einen Spieler einer Spitzenmannschaft ist. Lost im Zweikampf, konnte man auch sagen. Dann allerdings gelang ihm am Sonnabendabend ein Sonntagsschuss, was für ihn den Aufstieg in die Kategorie „Gut zu Fuß“ zur Folge hatte.

Mit Eifer dabei

Niko Gießelmann: Hat einen feinen linken Fuß. Dieser linke Fuß war an diesem Abend zusammen mit seinem rechten zumeist mit dem Zulaufen von Räumen bzw. dem Hinterherlaufen beschäftigt. Das aber machte Gießelmann ziemlich gut. Zudem trat er als Vorbereiter des 1:1 in Erscheinung. Man könnte auch sagen: Im Kampf um eine Vertragsverlängerung, und um die geht es bei Gießelmann, hat der 31-Jährige ein Pluspünktchen gesammelt. Immerhin.

Niko Gießelmann vom 1. FC Union Berlin empfiehlt sich für eine Vertragsverlängerung.
Niko Gießelmann vom 1. FC Union Berlin empfiehlt sich für eine Vertragsverlängerung.City-Press/Renner

Aïssa Bilal Laïdouni: Führte sich früh mit einem harten Einsatz gegen Benjamin Henrichs ein (16.), konnte von Glück sprechen, dass er dafür von Schiedsrichter Daniel Schlager nicht mit einer Gelben Karte bestraft wurde. Erbrachte auch in der Folge den Nachweis, dass er eisern, also leidenschaftlich, diszipliniert und taktisch klug, Fußball spielen kann. Nur beim 0:1 war er nicht wach genug, um Benjamin Henrichs Glücksmoment zu verhindern (siehe Juranovic).

Josip Juranovic: Spielt wie in der kroatischen Nationalmannschaft. Ganz unaufgeregt. Egal, wie groß der Name des Gegners ist. Gegen Leipzig hätte es allerdings vielleicht dann doch einen Schuss mehr Aufregung gebraucht, um das 0:1 durch Henrichs zu verhindern. Aber Juranovic wusste sich im Anschluss zu helfen, brachte sich unter anderem als gefährlicher Flankengeber und Freistoßschütze ein.

Sven Michel: Kam in der 61. Minute für Sheraldo Becker ins Spiel und war nur zehn Minuten später maßgeblich daran beteiligt, dass sich Leipzigs Mohamed Simakan im eigenen Strafraum zum Handspiel gezwungen sah. Für diese Kategorie eigentlich immer ein sicherer Kandidat, weil er mit seiner Körperlichkeit immer etwas bewegt. 

Unions Sven Michel mit blutigem Knie nach dem Spiel in Leipzig.
Unions Sven Michel mit blutigem Knie nach dem Spiel in Leipzig.imago/Huebner

Jordan: Kam in der 61. Minute für Behrens, der ihn infolge seiner Formschwäche um seinen Stammplatz gebracht hat. Mischte munter mit, war aber dennoch ziemlich weit, von dem entfernt, was er ganz dringend braucht: ein persönliches Erfolgserlebnis.

Luft nach oben

Frederik Rönnow: Was der Däne tatsächlich kann oder wie es um seine aktuelle Form steht, lässt sich oft nur erahnen, weil seine Vorderleute tatsächlich nur selten Torschüsse zulassen. In der 24. Minute boten ihm die Kollegen Josip Juranovic und Aïssa Bilal Laïdouni allerdings die Chance zur Bewährung. Die beiden luden Leipzigs Benjamins Henrichs mit ihrer Passivität zum Fernschuss ein. Und dieser Fernschuss war durchaus haltbar, weil Rönnow eigentlich freie Sicht und damit auch Zeit für den notwendigen Sidestep hatte. Doch Unions Keeper flog vergeblich. Ansonsten fehlerlos, womöglich auch, weil seine Vorderleute in Leipzig von Minute 24 bis 96 nur wenige Schüsse aufs Tor zugelassen haben.

Sheraldo Becker: Wenn von einem Unioner in der ersten Hälfte Gefahr ausging, dann von ihm. Sein Problem war, dass er bei den Sprintduellen mit Mohamed Simakan auf einen ebenso schnellen Gegner traf. Und dass die Unioner aufgrund der doch eher defensiven Marschroute nur selten ins Pressing gingen. Stinkesauer, als ihn Coach Urs Fischer nach einer Stunde vom Platz holte. Braucht trotz Sieg ein bisschen Trost, absurd, aber so ist Becker. Also: Nur die Ruhe, wird schon wieder, bei so viel Klasse! 

Kevin Behrens: Der Koloss von Köpenick ist ein sogenannter Stoßstürmer, also einer, der sich vorm oder im gegnerischen Strafraum großmacht, Bälle sichert und sich dann Richtung gegnerisches Tor bewegt. In Leipzig war Behrens während seiner 61-minütigen Einsatzzeit aber allzu oft viel zu weit vom gegnerischen Strafraum entfernt und deshalb nicht in der Lage, um seine Stärken einzubringen. 

Unterdurchschnittlich

Niemand.

Zu spät gekommen

Paul Seguin (61.) für Haberer, Jérôme Roussillon (80.) für Gießelmann, Morten Thorsby (86.) für Laïdouni.