Knipser-Krise in Köpenick: Keiner trifft mehr die Kiste

In vier der letzten fünf Pflichtspiele hat Union Berlin nicht mehr getroffen. Trainer Urs Fischer will diese Tatsache nicht auf fehlendes Spielglück schieben.

Sheraldo Becker steht sinnbildlich für Unions Harmlosigkeit im Angriff. Dieses Jahr hat der Stürmer noch nicht getroffen.
Sheraldo Becker steht sinnbildlich für Unions Harmlosigkeit im Angriff. Dieses Jahr hat der Stürmer noch nicht getroffen.Matthias Koch/IMAGO

Die ersten Wochen des neuen Jahres waren in Berlin-Köpenick ein einziger Rausch. Sieg im Derby bei Hertha BSC, der Einzug ins Pokal-Viertelfinale, zwischenzeitliche Tabellenführung in der Fußball-Bundesliga. Die Fans des 1. FC Union Berlin schwebten auf Wolke sieben, konnten die Glücksgefühle, die ihnen ihre Mannschaft bescherte, selbst kaum fassen.

Doch der kollektive Freudentaumel ist erst einmal vorbei. Die Fans feiern ihr Team, das weiter eine außergewöhnliche Saison spielt, zwar noch immer, doch in den letzten Wochen passt zumindest in der Offensive nicht mehr viel zusammen. Das 0:0 gegen den 1. FC Köln war nach dem 0:0 gegen Schalke und der 0:3-Pleite beim FC Bayern das dritte Bundesliga-Spiel in Serie ohne eigenen Treffer. Dazu kommt noch das 0:0 in der Europa League gegen Ajax Amsterdam.

Bleibt also im Rückblick auf die jüngeren Partien der Eisernen nur das 3:1 gegen die Niederländer im Rückspiel. Die Treffer dort fielen per Elfmeter (Robin Knoche), nach einem haarsträubenden Torwartfehler (Josip Juranovic) und einem Eckball (Danilho Doekhi). Die Torgefahr aus dem laufenden Spiel heraus geht der Mannschaft von Trainer Urs Fischer derzeit fast vollständig ab.

Und so sucht der Schweizer auch gar nicht nach Ausreden, möchte die offensive Harmlosigkeit nicht auf fehlendes Spielglück schieben. „Es wäre ein bisschen einfach, das darauf zu reduzieren“, sagte er am Sonnabend auf der Pressekonferenz. „Auf den letzten 30 Metern brauchst du Präzision, da hast du nicht viel Raum, alles ist sehr eng. Wir müssen uns in Zukunft wieder mehr Tormöglichkeiten erkämpfen“, erklärt Fischer.

Union Berlin: Kein Stürmer entwickelt aktuell Torgefahr

Allerdings stellt sich auch die Frage, wer die verwerten soll. Sheraldo Becker hat seit zwölf Pflichtspielen kein Tor mehr erzielt. Er läuft und läuft und läuft, in richtig gefährliche Abschlusspositionen kommt er aber zu selten. Die Verteidiger der gegnerischen Mannschaften haben sich auf seinen Spielstil scheinbar erfolgreich eingestellt.

Sturmpartner Kevin Behrens war in den ersten Wochen des Jahres DER Überflieger. Einer starken Vorbereitung folgten wichtige Treffer in Bremen und gegen Mainz, dazu das Siegtor im Pokal-Achtelfinale gegen den VfL Wolfsburg. Auch der 32-Jährige hat aber merklich an Gefährlichkeit eingebüßt. Gegen Köln kam er zweimal zum Abschluss. Mit dem einen stellte er Gästetorhüter Marvin Schwäbe vor keine allzu großen Probleme, den anderen brachte er unter Bedrängnis nicht aufs Tor.

Kevin Behrens reibt sich immer wieder in unzähligen Zweikämpfen auf. Torgefahr entwickelt er momentan aber nur selten.
Kevin Behrens reibt sich immer wieder in unzähligen Zweikämpfen auf. Torgefahr entwickelt er momentan aber nur selten.Matthias Koch/IMAGO

Fischer könnte theoretisch wechseln, aber die Spieler aus der zweiten Reihe drängen sich nicht auf. Sven Michel bekam gegen Schalke die Chance von Beginn an und nutzte sie nicht. Jordan Siebatcheu entfacht nach seinen Einwechslungen kaum Torgefahr und Jamie Leweling ist zwar regelmäßig im Kader, kommt aber nicht über Kurzeinsätze hinaus.

Es wäre allerdings auch zu einfach, die Schuld für Unions Torlosigkeit nur bei den Stürmern zu suchen. Von den Achter-Positionen im Mittelfeld kommen aktuell zu wenig kreative Impulse. Janik Haberer, der unter Fischer eigentlich immer gesetzt ist, läuft seiner Bestform hinterher und Aissa Laidouni bringt zwar stets Energie ins Spiel, ist aggressiv im Zweikampf und hat eine gute Passschärfe, sorgt im letzten Spieldrittel aber auch nicht für den kreativen Moment.

„Es geht um Präsenz im Strafraum und darum, die nötige Wucht zu entwickeln“, sagt Fischer noch, denn zumindest genug Flanken segelten gegen Köln in den gegnerischen Strafraum. Christopher Trimmel tat sich auf der rechten Seite hervor, doch seine Hereingaben fanden viel zu selten einen Abnehmer. Im Verlauf der zweiten Halbzeit beschlich die 22.012 Zuschauer im Stadion An der Alten Försterei immer mehr das Gefühl, dass ein Zähler in dieser über weite Strecken sehr zähen Angelegenheit das höchste der Gefühle sei.

Bevor am 20. März die Länderspielpause beginnt, stehen für Union nun vier ganz wichtige Partien an. In der Bundesliga geht es beim VfL Wolfsburg (12. März) und gegen Eintracht Frankfurt (19. März) in zwei direkte Duelle mit Konkurrenten ums internationale Geschäft. Und in der Europa League wartet mit Royale Union Saint-Gilloise (9./16. März) ein Konkurrent, der schon in der Vorrunde des Wettbewerbs deutlich zur Schau gestellt hat, dass man dem Gegner nicht Torchancen in Serie gewährt.