Dieser Wild-West-Fußball steht Union Berlin nicht

Das 3:3 gegen Saint-Gilloise kommt völlig Union-untypisch zustande. Nils Malzahn, Lead-Redakteur Sport, ordnet das phasenweise turbulente Remis ein.

Drei Gegentore im Stadion An der Alten Försterei mussten die Profis von Union Berlin schon lange nicht mehr hinnehmen.
Drei Gegentore im Stadion An der Alten Försterei mussten die Profis von Union Berlin schon lange nicht mehr hinnehmen.Michael Taeger/IMAGO

Die beiden Männer in der S3 Richtung Ostbahnhof waren noch völlig elektrisiert. „Was ein Spiel“, sagte der eine zu seinem Begleiter, der wiederum nur erwiderte: „Sechs Tore an der Alten Försterei. Verrückt, oder?!“

Das Duo hatte knapp zwei Stunden vorher im Stadion, draußen in Köpenick, ein denkwürdiges Spiel gesehen. 3:3 hieß es am Ende zwischen dem 1. FC Union Berlin und Royale Union Saint-Gilloise im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League. Das ist im Fußball nicht nur generell ein eher außergewöhnliches Ergebnis, sondern noch viel mehr, wenn die Mannschaft von Trainer Urs Fischer daran beteiligt ist.

0:0 gegen Schalke, 0:0 gegen Köln. Mit den Eindrücken dieser Bundesliga-Spiele hatten die Fans zuletzt das Stadion An der Alten Försterei verlassen. Fußballerische Magerkost, aber eben auch ohne Gegentor. Nicht nur Fußball-Fachmänner wissen, dass das immer schon mindestens einen Punkt auf der Habenseite einbringt. Und so verfährt Union schon eine ganze Weile. Hinten kompakt stehen, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen einhalten. Disziplin, Disziplin, Disziplin. Schön ist das oft nicht, aber dafür sehr erfolgreich.

Bis auf Platz drei in der Bundesliga hat Union Berlin dieser Spielstil geführt und eben bis ins Achtelfinale der Europa League. Aber da könnte nächste Woche Endstation sein, wenn die Eisernen noch einmal so einen Auftritt hinlegen. Völlig kopflos agierte die Mannschaft (in dem Fall: Kapitän Christopher Trimmel) beim zweiten Gegentor. Auch die spätere dritte Führung der Belgier war aus der Kategorie „Gastgeschenk“. Ja, viel mehr Chancen hatte Saint-Gilloise nicht, aber diese Szenen reichten schon aus, um die Fischer-Elf auf ein gänzlich unbekanntes Terrain zu führen.

Das sonst oft vorherrschende Gefühl, Union würde das Spiel kontrollieren, hatte man diesmal nicht. Viel mehr regierte in der zweiten Halbzeit Wild-West-Fußball mit völlig offenem Ausgang. Drei Gegentore vor heimischem Publikum hatten die Hausherren zuletzt vor 13 Monaten gegen Borussia Dortmund (0:3) kassiert. Diesmal waren es zwar auch drei eigene Treffer, aber ein mulmiges Gefühl blieb schon. Robin Knoche beispielsweise gestand, dass er gar nicht wisse, wie er dieses Spiel einordnen solle.

Für die Fans war das Sechs-Tore-Spektakel sicher eine schöne Abwechslung. Wenn die Europa-Reise aber weitergehen soll, muss sich Union in einer Woche im Rückspiel wieder auf die eigenen Stärken besinnen. Und die spiegeln sich doch eher in einem unspektakulären 1:0 wider. Genau mit diesem Resultat siegte Union Berlin vor den Toren Brüssels im Herbst letztes Jahres. Wiederholung allseits gewünscht!