Griechenland? Leicester City? Klar kann Union Berlin Deutscher Meister werden!
„Deutscher Meister wird nur der FCU“, skandierten die Union-Fans. Pure Ironie ist das nicht, meint Nils Malzahn, Lead-Redakteur Sport der Berliner Zeitung. Ein Kommentar.

45 Punkte sind in dieser Bundesliga-Saison noch zu vergeben. 15 Spieltage zu gehen, an denen noch viel passieren kann. Erinnern wir uns an die letzten drei Partien vor der WM-Pause: Da brauchte es gerade einmal acht Tage und Union Berlin steckte nach einem 0:5 in Leverkusen, einem 2:2 gegen den FC Augsburg und einer 1:4-Schlappe beim SC Freiburg in einer Mini-Krise. Ja, die Schnelllebigkeit des Fußball-Geschäfts ist manchmal absurd rasant.
Bis zum Saisonende am 27. Mai fließen noch etliche Liter Wasser die Spree hinunter, einige Teams werden in der Tabelle abrutschen und einige – mit denen heute noch niemand rechnet – im Klassement nach oben klettern. Wahrscheinlich wird der 1. FC Union Berlin nicht Deutscher Meister, aber dieses Szenario als pure Ironie abzutun, ist einfach falsch.
Denn zur Wahrheit, dass noch 15 Bundesliga-Spiele absolviert werden müssen, gehört auch, dass über die Hälfte der Saison schon rum ist. Und vorbehaltlich der Begegnung zwischen dem VfL Wolfsburg und dem FC Bayern (Sonntag, 17.30 Uhr) stehen die Köpenicker auf Platz eins, haben 39 Punkte geholt. Das ist kein Zufall, sondern das Produkt aus harter Arbeit, kluger Transfers und eines beeindruckenden Starts ins neue Jahr.
Die Winter-Zugänge Josip Juranovic, Jérome Roussillon und Aissa Laidouni, der bei seinen zwei Kurzeinsätzen schon andeutete, was für ein Potenzial in ihm steckt, scheinen sich bestens integriert zu haben. Kevin Behrens ist im Angriff innerhalb eines halben Jahres vom Ergänzungsspieler zu einer echten Waffe gereift, die Dreier-Abwehrkette hat sich gefunden und ist obendrein noch torhungrig und bei Standardsituationen ist kein Team der Liga so gefährlich wie Union Berlin. Es gibt genügend Gründe, warum die Eisernen auch am Saisonende noch ganz oben mitmischen.
Klar, die Gewohnheit der vergangenen Jahre zeigt: Bayern München wird Deutscher Meister. Die haben den besten Kader, die größte Erfahrung, das Selbstverständnis, das sie „Mia san mia“ nennen. (Versteht man das in Berlin überhaupt?) Der Fußball zeigt uns aber immer wieder, dass es auch Ausnahmen von der Regel gibt. Gefühlt werden die in den letzten Jahren, insbesondere in der Bundesliga, weniger. Aber man darf trotzdem den festen Glauben haben, dass es immer noch das eine oder andere Märchen in Stutzen und kurzen Hosen gibt.

Erinnern Sie sich an die Europameisterschaft 2004, als niemand glaubte, dass Griechenland am Ende den Titel holen würde. Oder an 2016, als Leicester City Meister in England wurde, den großen Vereinen aus Manchester oder London ein Schnippchen schlug.
Man sollte nicht damit planen, dass dem 1. FC Union Berlin in dieser Saison der ganz große Wurf in Form des Meistertitels gelingt. Keiner erwartet das ernsthaft. Die Fans singen von der Meisterschaft, weil sie sich einen Spaß daraus machen. Hinter jedem Spaß steckt aber immer auch ein Funke Ernsthaftigkeit und wenn er noch so klitzeklein sein mag. Es liegt an der Mannschaft und an Trainer Urs Fischer, diesen Funken noch ein wenig lodern zu lassen.