1. FC Union gegen Dynamo Dresden: Ruhe in Gefahr
30 000 Fans – Damir Kreilach ist begeistert. Noch nie hat der Kroate, seit dieser Saison beim 1. FC Union Berlin unter Vertrag, vor einer so großen Kulisse Fußball spielen dürfen. Also hat er sich gewissenhaft vorbereitet und sich von seinem Landsmann Andre Mijatovic, dem ehemaligen Kapitän von Hertha BSC, genau erklären lassen, welche Bedeutung das heutige Ostduell mit der SG Dynamo Dresden (18.30 Uhr) für die Union-Fans hat. Für Uwe Neuhaus ist das alles ein alter Hut. Derby, ein paar Zuschauer mehr – in seiner siebten Saison als Trainer der Köpenicker geht es ihm in Dresden um viel mehr.
Nicht schon wieder soll bereits an den ersten Spieltagen eine gute Saisonplatzierung verschenkt werden. Neuhaus weiß, dass der Sieg gegen Regensburg in der ersten Pokalrunde Geld einbringt und eine Portion Selbstvertrauen, jedoch nichts Zählbares für die Meisterschaft. „Wir waren äußerst froh, aber wir haben nach wie vor erst einen Punkt“, mahnt der 53-Jährige. Dann wird er eindringlicher: „Wir wollen auf jeden Fall die Punkte zwei, drei und vier in Dresden holen!“
Einen Erfolg hat der Fußballlehrer bitter nötig, denn im nächsten Heimspiel empfängt Union in Bundesligaabsteiger Fortuna Düsseldorf mit Sicherheit keinen Punktelieferanten. Sollte sein Team in Dresden patzen, wäre die Gefahr groß, dass Union eine Woche später ähnlich schlecht dastünde, wie im Vorjahr. Da befand sich nach fünf Partien nur ein Zähler auf dem Konto. Schon nach wenigen Spieltagen hätte das Team ihren Coach um all die guten Früchte gebracht: Die frühzeitig verpflichteten personellen Verstärkungen, die vielversprechende Vorbereitung, das rauschende Eröffnungsfest des modernisierten Stadions – all das wäre nicht mehr wert als ein Eintrag ins Fleißheftchen.
Für Kreilach ist das alles neu. Neuhaus ist mit seiner Verpflichtung ein gewisses Risiko eingegangen. Der 24-Jährige muss in der zentralen Rolle im defensiven Mittelfeld bei seinem ersten Auslandsengagement sofort Verantwortung übernehmen. So jagt eine Kreilach-Premiere die nächste. Das erste Tor im ersten Spiel, die erste Auswechslung im zweiten und im dritten schließlich der erste Sieg. Es ist ein Auf und Ab. „Wir müssen stark sein“, sagt Keilach. Neuhaus kann da nur nicken. Denn was für seinen Zugang ein aufregendes Abenteuer ist, kennt Neuhaus zur Genüge. Der wiederkehrende Schrecken des Misserfolgs, den jeder Ligaauftakt aufs Neue bereithält, ist ihm über.
Besonders schlimm war es in der Vergangenheit, wenn Saisonstart und Dresden zusammentrafen. Vor ziemlich genau zwei Jahren unterlag Union den Sachsen 0:4 „Das war die enttäuschendste Leistung seitdem ich hier Trainer bin“, erinnert sich Neuhaus. Er fügt an: „Das darf die Mannschaft nie wieder machen!“ Sonst ist die gewünschte Ruhe nämlich schneller dahin, als sich Neuhaus nebst seiner Spieler hinter dem schwarzen Sichtschutz auf dem Trainingsgelände der Alten Försterei verstecken kann.
Der Druck steigt, und der erste Leidtragende ist Silvio. Der 28-jährige Stürmer, vor zwei Jahren einer der teuersten Transfers der Vereinsgeschichte, steht vor dem vorzeitigen Abschied. „Wir haben mit Spieler und Berater gesprochen. Alle Parteien wissen, worum es geht“, sagt Neuhaus. Der Brasilianer soll weg, er gehört zu den Gutverdienern im Union-Kader. Würde er durch einen Wechsel von der Gehaltsliste gestrichen, erhielte Neuhaus mehr Freiraum, seinen Kader bei einem weiteren sportlichen Rückschlag noch nachzubessern.
„Ich denke, dass er sich bemüht irgendwo anders unterzukommen“, sagt Neuhaus über den Angreifer, der in der vergangenen Spielzeit nur ein Tor erzielte. Allerdings war es ein immens wichtiger Treffer, der Union am sechsten Spieltag den Weg zu den Punkten zwei, drei und vier geebnet hatte. In Dresden muss jemand anderes diese Aufgabe übernehmen, denn für den verletzten Stürmer Steven Skrzybski rückt nicht etwa Silvio in den Kader, sondern Verteidiger Björn Kopplin.