Alba Berlin: Eine verräterische Liste

Die Welt ist ein Dorf. Im Basketball jedenfalls, dort bleibt auf Dauer nichts geheim. Schnell spricht sich zum Beispiel unter Trainern herum, wenn irgendwo eine Stelle frei wird. Etwa weil ein Vertrag ausläuft und Gespräche über eine Verlängerung noch nicht abgeschlossen sind. So wie dieser Tage bei Alba Berlin. Dort war Chefcoach Sasa Obradovic seit dem 18. Juni ohne Anstellung. Prompt gingen beim Klub Bewerbungen um dessen Posten ein. „Viele sogar“, sagt Albas Sportdirektor Mithat Demirel. Am gestrigen Sonntag jedoch verschickten die Berliner eine Absage an die Jobsuchenden in Form einer Pressemitteilung. Darin hieß es, die Zusammenarbeit mit Obradovic werde fortgesetzt. Der 45-Jährige erhalte einen Vertrag über ein Jahr mit der Option auf ein weiteres.

Ein paar Tage Bedenkzeit

Obradovic hatte bereits unmittelbar nach der Finalserie gegen den FC Bayern (1:3) erklärt, er fühle sich in Berlin sehr wohl. Nun sagte der Serbe: „Ich liebe diesen Klub, seine Fans und die Stadt.“ Er versprach: „Wir werden alles daransetzen, mit Kontinuität, harter Arbeit und Leidenschaft das Team weiterzuentwickeln und die guten Ergebnisse des letzten Jahres zu wiederholen.“

Obradovic hat sich ein paar Tage Zeit genommen, um über seine berufliche Zukunft nachzudenken. Demirel sagt: „Es ist ja ganz normal, dass sich ein Trainer, dessen Vertrag ausläuft, umhört und umschaut, was auf dem Markt gerade so los ist.“ Dass der Coach bei Alba bleibt, soll nicht an erhöhten Bezügen gelegen haben. Zwar schweigt die Klubführung prinzipiell über die Gehälter, die sie zahlt, doch soll sich Obradovic dem Vernehmen nach gegenüber den Vorjahren finanziell nicht wesentlich verbessern.

Es ist somit vor allem die sportliche Perspektive, die Obradovic reizt. „Wir haben nach dem Neustart letzten Sommer ein Projekt begonnen, dass noch lange nicht fertig ist“, sagt er. Damals stand die weitere Zusammenarbeit zwischenzeitlich auf der Kippe, das frühe Aus im Viertelfinale wirkte nach, zumal es gegen den potenziellen Dauerrivalen FC Bayern und mit einem Kader aus arrivierten Profis zustande kam. Das Projekt, das der Coach jetzt weiterentwickeln will, gibt ihm eine gewisse Sicherheit, weil es den langfristigen Aufbau der personellen Basis einem kurzfristigen Erfolg überordnet. So vermittelt die Klubführung stets ihre Strategie der Öffentlichkeit, auch nach der außergewöhnlichen jüngsten Saison mit dem Finaleinzug in der Meisterschaft, dem Pokalsieg und dem Viertelfinale im Eurocup. Oder gerade deswegen.

Die Teilnahme an der Euroleague könnte Erwartungen wecken, die sich womöglich noch nicht erfüllen lassen. Allerdings scheinen mit dem Projekt auch die Fans zu wachsen, die einen Draht zu diesem Team gefunden haben.

An diesem Team werden sie nun weiterarbeiten. Weitere personelle Fragen müssen geklärt werden. Am heutigen Montag läuft die Frist aus, innerhalb der Alba eine vertragliche Option auf Center Levon Kendall und Guard Vojdan Stojanovski geltend machen kann. Gestern sah es so aus, als würde diese Frist ungenutzt verstreichen. „Wir werden wahrscheinlich später entscheiden, ob wir mit beiden weitermachen“, sagte Sportdirektor Demirel.

„Er ist ein Garant“

Mit der Verlängerung von Obradovics Vertrag wurde eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Denn der Cheftrainer, sagt Geschäftsführer Marco Baldi, „ist ein Garant dafür, dass wir auch in Zukunft ein wettbewerbsfähiges Alba-Team mit großem Kampfgeist, unbedingtem Willen und mannschaftlicher Geschlossenheit stellen werden“. Dass Klub und Coach ihre Zusammenarbeit so sehen, war schon am vergangenen Wochenende durchgesickert. Beim Saisonabschluss mit den Fans hatte Center Jonas Wohlfarth-Bottermann berichtet, der Trainer habe ihm eine Liste mit Aufgaben mitgegeben, die er in der spielfreien Zeit abarbeiten solle.

Obradovic fühlte sich für dieses Team weiter zuständig, das war damit klar. Den Fans zumindest. Manchem Trainer auf Jobsuche offenbar nicht.