Alba Berlin gegen FC Bayern: „Champagner-Willi sagte: Egal“
Wer eine erfolgreiche Zukunft gestalten will, sollte wissen, wo er herkommt. Der FC Bayern München steigt im europäischen Basketball in Windeseile zur neuen Spitzenkraft auf. Klaus Schulz wiederum führte den Klub 1968 zum Pokalsieg, zum bisher letzten Titel der Münchner. Vor dem Bundesligaduell am Sonntag bei Alba Berlin (15 Uhr) erinnert der heute 77-Jährige an eine Geschichte, die mancher Verantwortliche im Klub vergessen zu haben scheint.
Herr Schulz, verfolgen Sie noch, was die Basketballer des FC Bayern machen?
Ich bin ja bei jedem Heimspiel in der Halle und bin begeistert. Svetislav Pesic, der Trainer, hat die Spieler im Griff, das ist einmalig.
Was zeichnet das Team aus?
Die individuelle Klasse. Und dieses Gegenpressing, das an der Grundlinie des Gegners beginnt. Die Athletik ist derart groß, dagegen haben wir in Zeitlupe gespielt.
Gibt es einen Spielertypen im aktuellen Kader, der Ihnen ähnelt?
Zwar sind die Forwards des FC Bayern alle zehn Zentimeter größer als ich, aber beim Zug zum Korb und beim Wurf hätte ich mitgehalten. Wobei: Das 50 Jahre später zu sagen, ist eigentlich albern.
Wieso? Wer ist Ihr Lieblingsspieler?
Nihad Djedovic.
Neben Idbihi, Schaffartzik und Thompson von Alba abgeworben.
Manche meiner Leutchen von früher regen sich darüber auf und sagen, das sei unfair. Aber was soll’s: So läuft das heute eben.
Wie lief das damals, als der FC Bayern erstklassig spielte?
Das war unter dem Präsidenten Willi Otto Hoffmann, genannt: Champagner-Willi. Der war Basketball-Fan, der hat mich von Aachen nach München geholt. Der FC Bayern steckte in der dritten Liga, als Hoffmann mich fragte, ob ich das Team in die erste Liga führen könnte. Ich sagte: Das dauert und kostet. Er sagte: Egal. Vier Jahre später waren wir erstklassig.
Was passierte dann?
Hoffmann wurde abgesetzt.
Warum lachen Sie?
Weil er wegen Steuergeschichten gehen musste.
Sie denken an die Affäre des jetzigen Bayern-Präsidenten Hoeneß?
Das ist doch komisch, oder? Na jedenfalls traten damals die anderen im Präsidium auf den Plan: Unter anderen Uli Hoeneß. Leute, die heute sagen, was für große Basketball-Fans sie sind. Die haben mich als Abteilungsleiter dazu aufgefordert, sofort alle Verträge zu kündigen und in die dritte Liga zurückzukehren. Ich habe gesagt: Verträge sofort kündigen ist juristisch und menschlich eine Sauerei, das mache ich nicht. Wir durften die Saison zu Ende spielen.
Und danach?
Bin ich ausgetreten – aber nach drei Jahren wieder eingetreten.
Ist Hoeneß also kein Bayern-Basketballer der ersten Stunde?
Heute erzählt er, er hätte nächtelang NBA geschaut und wäre bei den Spielen des USC München gewesen. Warum hat er uns nicht zugeschaut, die wir Erstliga-Basketballer waren, anders als der USC, der nie einen Titel gewonnen hat? Warum hat er uns stattdessen in den Abgrund gestoßen?
Haben Sie ihn das mal gefragt?
Der redet nicht mit mir. Ich nehme an, weil ich ein Mann vom Hoffmann war. Hoeneß und andere hatten eine grundlegende Abneigung gegen Basketball. Die ist über Nacht in eine Begeisterung umgeschlagen, von der es jetzt heißt, sie halte seit zwanzig Jahren an. Aber das ist glatt gelogen.
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Wieso dann jetzt Basketball?
Die Sponsoren stehen beim Fußball Schlange. Hoeneß muss irgendwann mal gesagt haben: Wenn ihr erst Basketball sponsert, habt ihr größere Chancen, beim Fußball reinzukommen. Mittlerweile ist das Projekt sehr erfolgreich und die Halle ausverkauft.
War das zu Ihrer Zeit ähnlich?
In die Halle an der Säbener Straße gingen nur 600 Leute rein.
In die Halle des FC Bayern?
Die war für Liga-Spiele ungeeignet, wir spielten in der städtischen Halle daneben. Das war übrigens typisch: Der FC Bayern baut eine Halle, und ich muss darum kämpfen, dass da überhaupt Basketballkörbe reinkommen.
Trotz des dominanten Fußballs im Klub gelang 1968 der Pokalsieg?
Wir waren gut damals. Wir haben Osnabrück geschlagen. Wir haben Gießen geschlagen mit Holger Geschwindner ...
Heute Mentor von NBA-Profi Dirk Nowitzki.
Der war der Jungstar, der war in der ersten Halbzeit der Allerbeste. Dann habe ich mich als Spielertrainer eingewechselt und ihn abgeschirmt. In der zweiten Halbzeit hat er keinen einzigen Feldkorb mehr gemacht.
Und war stinksauer?
Und wie. Ich habe ihn viel später mal auf dem Oktoberfest getroffen, da konnte er sich noch sehr genau an das Spiel erinnern.
Sie sind 1960 als erster deutscher Basketballer ins Ausland gegangen, nach Spanien. In eine andere Welt?
Ich war ja nicht bei Real Madrid, sondern bei Estudiantes. Der Trainer hat nicht viel drauf gehabt, der hat nur gesagt: spielt, lauft, kämpft. Trotzdem spielte Estudiantes in der ersten Liga. Wir hatten Leute wie Jesús Codina, Kapitän des spanischen Nationalteams.
Spielten Sie damals schon in der Nationalmannschaft?
Ich hatte 1959 mein erstes Länderspiel, gegen Schweden, das haben wir knapp verloren. Ich habe 73 Länderspiele bestritten.
In der Liste der Nationalspieler auf der Webseite des Deutschen Basketball-Bundes tauchen Sie aber nicht auf.
Das ist ja eine Frechheit. Ich war doch damals in der Nationalmannschaft der Kapitän.
Das Interview führte Christian Schwager.