Alba Berlin: Sechster Mann mit sechstem Sinn

Dieses Lächeln ist eine Warnung. Es ist nicht verschlagen, nicht bösartig. Fröhlich sieht Svetislav Pesic aus, als er sich gestern Abend aus dem Presseraum der Arena am Ostbahnhof verabschiedet mit dem Satz: „Wir werden noch gewinnen.“ Eine Warnung ist dieses Lächeln, weil Pesics Basketballteam gerade verloren hat. Nicht irgendwie und nicht gegen irgendwen. Pesics FC Bayern München verlor bei Alba 74:94 (36:50). Die allenthalben als Favorit gehandelte Mannschaft unterlag dem mutmaßlichen Außenseiter mit 20 Punkten Differenz.

Doch was heißt schon Favorit? Pesic hat vor dem Abschied zwar herausgestrichen, dass der FC Bayern nicht zu unrecht als ein Anwärter auf den deutschen Meistertitel gehandelt werde, es aber im Basketball der Spitzenklasse keine Automatismen gebe. Außer vielleicht jenen, dass Pesic dies bei jeder Gelegenheit erwähnt. Er sagte außerdem: „Was mir nicht gefallen hat, ist, wie wir gespielt haben.“ Es ist zu erwarten, dass der FC Bayern im nächsten Duell anders auftritt.

„Viele Überraschungen“

Vielleicht waren sie diesmal müde gewesen nach dem Sieg in der Euroleague gegen Unicaja Málaga keine 48 Stunden zuvor. Sicher waren die Bayern überrascht davon, was sie in der Berliner Mehrzweckhalle erwartete. Die war ausverkauft mit 14.500 Zuschauern, zum ersten Mal in dieser Saison. Zum ersten Mal überhaupt, erzählte Albas Geschäftsführer Marco Baldi, habe er eine solche Stimmung erlebt. „Ich habe viele Spiele in der NBA gesehen und in der Euroleague, aber das heute war richtig geil.“ Die Fans als sechster Mann mit sechstem Sinn.

Sofort entwickelte sich ein Zusammenwirken mit der Mannschaft. Zu Beginn spürbar wurde das für die früheren Alba-Profis im Kader der Gäste. Die vor der Saison abgewanderten Heiko Schaffartzik, Yassin Idbihi und Nihad Djedovic bekamen etwas zu hören, Pfiffe vor allem, wobei Dejdovic mit der Defensivarbeit der Berliner Fans noch am besten zurechtkam.

Die Verteidigung des Alba-Teams dagegen stellte alle Münchner vor Probleme. Davon zeugten die 40 Berliner Rebounds, darunter 16, die am gegnerischen Korb eingesammelt wurden. Sieben Mal stahlen sie den Bayern den Ball, die ihrerseits 17 Fehlpässe produzierten. „Wir haben uns viele Überraschungen ausgedacht“, sagte Alba-Coach Sasa Obradovic, dem vor allem das wichtig war: „Jeder hat von uns in jeder Minute viel gegeben.“

Dieser Sieg hatte also zehn Geschichten. Die von Reggie Redding zum Beispiel. Der Guard setzte in der ersten Hälfte offensiv wichtige Akzente mit 13 seiner insgesamt 17 Zähler. Er trug mit dazu bei, dass Alba nach dem ersten Viertel 23:19 führte. Redding erzielte beim 33:23 Mitte des zweiten Viertels Albas erste zweistellige Führung, die auf 44:28 anwuchs (18.). Redding gelangen zudem acht Rebounds, er war der beste Balleinsammler der Partie.

„Ein gutes Zeichen“

Oder die Geschichte des stillen Vojdan Stojanovski: Der Guard gab auf dem Feld jegliche Zurückhaltung auf, unter dem Einfluss des Publikums ackerte Stojanovski gestern aber noch mehr, was sich in 21 Punkten niederschlug. Darunter die zur Halbzeitführung und jene zum Finale furioso mit zwei Dreiern zum 86:70 und 89:72 sowie als Zugabe dem 91:71. Clifford Hammonds steuerte 20 Zähler bei und eine Episode, die Geschäftsführer Baldi später erwähnenswert fand. Nachdem Bayerns Anführer Malcom Delaney über Hammonds Abwehr hinweg getroffen hatte, holte dieser sogleich zum Gegenschlag aus.

Dass sogar Uros Slokar nach dem Seitenwechsel entscheidende Szenen hatte, passte zu diesem Nachmittag. Der Center, als Ersatzmann für Leon Radosevic und nur für sechs Wochen verpflichtet, erzielte in einer Berliner Schwächephase zwei Körbe aus der Nahdistanz zum 58:46 (25.), überzeugte danach am eigenen Brett mit einem Block und vollendete sein Werk mit dem 60:46 (26.). Ein starkes Intermezzo beim dritten Auftritt im Alba-Trikot.

Einen guten Schritt nach vorne habe seine Mannschaft gegen die Bayern gemacht, resümierte Obradovic. Baldis Fazit mündete in die Feststellung, dass von allen 24 bisherigen Alba-Teams dieses „das beste Team ist, was Herz, Einsatz und Wille anbelangt – ohne hier etwas verklären zu wollen“. Denn: „Taktische Dinge, die vorher nicht geklappt haben, haben heute unter dem großen Druck besser geklappt. Das ist ein gutes Zeichen.“

Was zu beweisen ist für Alba stets aufs Neue und am Dienstag das nächste Mal: im Eurocup bei Belfius Mons Hainaut, Belgien. Vielleicht werden dort 1500 Fans in der Halle sein, vielleicht 2000. Es werden auf jeden Fall nicht die eigenen sein.