Alba Berlin vor der Basketball-EM: Auf der Suche nach Mister Perfect
Wenn es mit der Mannschaft doch nur so einfach ginge wie mit dem Büro. Alles steht an dem gewohnten Platz. Der Schreibtisch mit dem wuchtigen Sessel dahinter. Daneben das Flipchart, auf der Tafel ist eine flüchtige taktische Skizze zu sehen, als hätte sie Sasa Obradovic vor dem letzten Training der vergangenen Saison dort aufgemalt. Es scheint sich nichts verändert zu haben. Bis auf Obradovics Gesichtsfarbe vielleicht; Alba Berlins Trainer ist braun gebrannt. Und bis auf die Mannschaft; sie wurde bisher mit fünf Neuen verstärkt. Stefan Zivanovic ist dieser Tage dazugekommen. Er hat einen Vertrag über einen Monat erhalten.
Es ist nicht so, dass es im Basketball noch schnelllebiger zugeht als ohnehin schon und dass sich ein Klub wie Alba nur noch vier Wochen lang an einen Spieler binden will. Doch erfordern ungewöhnliche Umstände ungewöhnliche Maßnahmen. Zivanovic ist Serbe, 26 Jahre alt und ein Guard. Auf dieser Position herrscht bei den Berlinern gerade ein Engpass. Clifford Hammonds hat sich eine Pause bis September ausgebeten, weil seine Frau das fünfte Kind erwartet. Außerdem sollen ihm lukrative Angebote anderer Klubs vorliegen. „Wir sind mit seinem Agenten im Kontakt, es sind einige Punkte ungeklärt“, sagt Obradovic und versichert: „Es geht nicht ums Geld. Jedenfalls sind wir bis zu diesem Aspekt noch nicht gekommen.“
Fünf Alba-Profis bei der EM
Zeitgleich sondieren die Berliner den Markt nach geeigneten Spielmachern. „Center kann man viele finden“, sagt Obradovic, „beim Point Guard ist es jedoch nicht leicht, den Mister Perfect zu bekommen.“ Im Training stehen dem Coach Zugang Jordan Taylor und Ismet Akpinar auf der zentralen Position des Regisseurs zur Verfügung, abgesehen von den Aushilfen.
In Akeem Vargas fehlt ein weiterer Guard. Er bereitet sich gerade mit der deutschen Nationalmannschaft auf die EM vor, ebenso die Teamkollegen Niels Giffey und Alex King. Das Turnier beginnt Ende kommender Woche. Sollten die Deutschen die Gruppenphase in Berlin nicht überstehen, könnten die drei am 11. September in Albas Trainingshalle an der Schützenstraße auflaufen. Andernfalls verlängert sich ihre Abwesenheit.
Das gilt auch für Albas Center Elmedin Kikanovic, der im EM-Kader Bosniens steht sowie für den Serben Dragan Milosavljevic. An dem Flügelspieler zeigt sich besonders deutlich das Dilemma, in das die EM Obradovic stürzt. Milosavljevic wird Position und Rolle von Reggie Redding einnehmen, der die Berliner Offensive in den vergangenen zwei Jahren maßgeblich trug. Milosavljevic ist jedoch nicht der exakt gleiche Spielertyp wie Redding. Die Systeme müssen an den 26 Jahre alten Profi angepasst werden. Das ist natürlich kaum möglich, so lange Milosavljevic bei der EM im Einsatz ist. Die Serben haben eine gewohnt schlagkräftige Mannschaft beisammen und könnten weit kommen. Zwar muss Nationalcoach Aleksandar Djordjevic noch zwei Mann aus seinem Aufgebot streichen, doch gehen sie bei Alba davon aus, dass es Milosavljevic nicht treffen wird. Djordjevic sei von dem Flügelspieler überzeugt, sagt Kollege Obradovic.
Der Berliner Trainer darf es einerseits als eine Bestätigung seiner Arbeit ansehen, dass es ihm gelungen ist, zwei Nationalspieler in seine Mannschaft zu lotsen und dass drei Profis unter ihm zu deutschen EM-Teilnehmern gereift sind. Andererseits handelt es sich um einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsnachteil. Obradovic beginnt die Saisonvorbereitungen mit Aushilfen wie Zivanovic und Talenten aus Albas NBBL-Kader. Die Teamchemie, sagt er, werde sich während der Saison herausbilden müssen.
Einige der härtesten Konkurrenten in der nationalen Meisterschaft dagegen haben viel bessere Voraussetzungen. Den Baskets Oldenburg etwa fehlt nur der Niederländer Robin Smeulders. Ulm, am 1. Oktober Albas Gegner zum Bundesliga-Auftakt, hat sein gesamtes Personal zur Verfügung. Point Guard Per Günther hatte sich vom Nationalteam unter Verweis auf eine verletzungsbedingte Formschwäche frühzeitig abgemeldet.
Bamberg und Bayern rüsten auf
„Diese Situation hatte ich noch nie als Trainer“, sagt Obradovic und spricht von einer der größten Herausforderungen bisher. Zumal neben Oldenburg und Ulm vor allem Meister Bamberg und Finalist FC Bayern nochmals aufgerüstet haben. Bamberg holte unter anderem für die langen Positionen den italienischen Nationalspieler Nicolò Melli und den früheren Berliner Center Yassin Idbihi, der mit Lucca Staiger von den Bayern kam. Die wiederum, sagt Obradovic, „werden sowieso jedes Jahr stärker“.
Mehr will Albas Trainer zur Konkurrenz gar nicht sagen. Erst mal soll es mit seiner eigenen Mannschaft richtig losgehen. Wann auch immer das sein wird.