Alba Berlin vs Galatasaray Istanbul: Kampf der zwölf Giganten

Berlin - Am Ende des Gesprächs hat dann auch Faruk Kulenovic noch ein paar Fragen. „Was macht Marco Baldi?“, will er wissen. „Wie läuft das mit dem Jugendprogramm von Henning Harnisch?“ Mehr als zwei Jahrzehnte ist es her, dass Kulenovic Berlin verließ, doch für Alba interessiert er sich nach wie vor. Für Baldi, den Geschäftsführer, der ihn damals zum Trainer des aufstrebenden Klubs machte. Für Harnisch, den Vizepräsidenten, den er als Spieler im gegnerischen Team erlebte, 1991, als sie gleich in ihrer ersten Bundesligasaison ins Finale gegen Leverkusen einzogen, aber unglücklich unterlagen. Erinnerungen, die mit dem Anruf aus Deutschland wieder hochkommen. Dabei sollte es um die Gegenwart gehen. An diesem Donnerstag empfängt Alba in der Arena am Ostbahnhof Galatasaray Istanbul zum Duell der Euroleague (21 Uhr). Im türkischen Basketball kennt Kulenovic sich aus.

Der 63-jährige Kroate ist im Verband der Türkei angestellt. Er verantwortet ein Programm, in dem Trainer für die Arbeit mit Talenten ausgebildet werden, „an 70 Standorten, über die Türkei verteilt“, wie Kulenovic erzählt. Er sieht Galatasaray daher aus seiner Perspektive. „Das, was diese Klubs machen, ist gut für die Liga, aber nicht für den türkischen Basketball“, sagt er und erzählt dann von den jüngsten Derbys in der nationalen Meisterschaft TBL. Die Istanbuler gewannen gegen Fenerbahçe 92:88 und bei Besiktas 64:65, aber das ist nicht der Punkt. „Der Punkt ist, dass sie mit sechs Profis antraten, der Hälfte des Kaders nur.“ Spieler wie der Puerto Ricaner Carlos Arroyo sind während der Saison gegangen, teure Spieler, die sie sich nicht mehr leisten konnten. „Das ist das Ergebnis einer Fehlentwicklung“, findet Kulenovic.

Ein Wettskandal und die Folgen

Sie begann vor vier Jahren. Ein Wettskandal erschütterte den türkischen Fußball. Mindestens 20 Spiele waren manipuliert, es kam zu 60 Festnahmen. Sponsoren fürchteten einen Imageverlust und wanderten ab in den Basketball. Dort begann ein Boom, in dessen Verlauf Istanbul drei große Basketball-Arenen bekam und die Teams der TBL Spieler wie Arroyo, der schon in der nordamerikanischen Profiliga NBA sein Geld verdiente. Sogar Provinzklubs rüsteten auf. „Die ersten acht bis zehn Teams der Liga haben ein beachtliches Niveau“, sagt Kulenovic. Das ist die eine Seite.

Die andere zeigte sich Anfang des Monats. Arroyo soll Galatasaray darauf hingewiesen haben, dass er 550 000 Dollar an vertraglich zugesichertem Gehalt auf seinem Konto vermisse. Die Umgangsformen in Gehaltsfragen könnten mit der Mentalität zu tun haben. Albas heutiger Sportdirektor Mithat Demirel berichtet etwa, dass er sechs Jahre lang auf Geld von Besiktas warten musste. Türkische Spieler seien vielleicht in dieser Hinsicht geduldiger als ausländische, meint er.

Es liegt an den mächtigen Klubpräsidenten, sagt Kulenovic: „Das Problem von Klubs wie Galatasaray ist: Die Basketballer erhalten Geld von einem Sponsor, aber dann kommen die Fußballer und nehmen sich einfach das Geld.“ Einer wie der niederländische Mittelfeldspieler Wesley Sneijder mit einem Jahresgehalt von mehr als drei Millionen Euro will schließlich finanziert sein.

Galatasarays Schieflage habe sich schon vorige Saison abgezeichnet, sagt Kulenovic. „Es ist immer dasselbe hier in der Türkei. Gehälter bleiben aus, es kommt zum Boykott, die Agenten schalten sich ein, dann die Anwälte.“ Am Anfang der Saison dagegen galt Galatasaray als Anwärter auf den Titel in der Euroleague. Es sah gut aus. Oder schlecht, wie Kulenovic aus der Sicht des Trainers der Trainer sagen würde, „denn die türkischen Spieler sitzen auf der Bank. Nehmen wir Sinan Güler. Er hat bei Galatasaray von Arroyos Weggang profitiert, er spielt jetzt mehr und erzielt mehr Punkte.“

Ohrfeigen in der Kabine

Ein Team für die Euroleague, eins für die TBL, darin sehen die international vertretenen Klubs das Ideal. „Bei Efes ist die Situation ein bisschen anders“, sagt Kulenovic. Dort versucht Coach Dusan Ivkovic, türkische Talente aufzubauen, aber Ivkovic hat einen guten Ruf und nichts zu verlieren. Andere Trainer kommen mit dem Druck offenbar nicht so gut klar. Ergin Ataman von Galatasaray ohrfeigte unlängst in der Kabine Göktürk Ural, 19, weil ihm dieser zu lustlos spielte.

„Die türkischen Trainer haben es schwer“, sagt Kulenovic und kommt wieder auf die Präsidenten zu sprechen. „Sie stecken viel Geld in ihre Vereine und wollen dafür kurzfristigen Erfolg. Sie vertrauen daher lieber arrivierten ausländischen Trainern“ Der Finne Henrik Dettmann, früher einmal Coach des deutschen Nationalteams und des Mitteldeutschen BC, ist jetzt bei Besiktas gelandet. „Oft sind es Trainer aus dem ehemaligen Jugoslawien, wie Dusan Ivkovic oder Zejlko Obradovic bei Fenerbahçe.“

Kulenovic selbst ging nach seinen drei Jahren bei Alba 1993 zu Fenerbahçe, blieb eine Saison, kehrte nach wechselnden Engagements 2002 in die Türkei zurück, verschwand vom Radar des internationalen Basketballs, weil er an einer Privatschule als Sportkoordinator arbeitete und tauchte beim Erstligisten Darüssafaka schließlich wieder auf. Seinerzeit durften vier Ausländer im Kader sein. „Klubs, die mit weniger auskamen, erhielten pro Mann 300.000 Dollar extra“, erzählt er. Inzwischen sind sechs Ausländer erlaubt, zwei türkische Spieler müssen pro Partie eingesetzt werden. „Noch immer“, sagt Kulenovic, „hilft der türkische Verband den Klubs sehr, sie bekommen pro Saison knapp zwei Millionen Dollar.“

Doch auch Kulenovic kann sich nicht über mangelnde Unterstützung beklagen für sein Programm, um das er sich vom Wohnort Adapazari aus kümmert. Der Name des Programms geht auf die WM 2010 zurück, als die Türkei das Finale in Istanbul gegen die USA erreichte. Der Name passt nicht so ganz zum Galatasaray des März 2015. Die Türken nannten ihr Team damals: Zwölf Giganten.