Alba Trainingslager: Brief an einen Center

Das ist vielleicht gar kein schlechtes Motto. Das beste, das es geben könnte, findet Clifford Hammonds. Sonst würde er sich ja nicht immer wieder daran erinnern. „Denkt nicht an euren eigenen Vorteil, sondern habt das Wohl der anderen im Auge.“ Der Satz steht im Brief des Apostel Paulus an die Philipper, in der Bibel also. Darin liest Hammonds vor jedem Spiel, an dieser Stelle: Philipper 2,4.

Am Montag hat Hammonds von der Gewohnheit berichtet, die seinem Teamgeist Auftrieb und seinem Leben als Basketballer Halt geben soll. Es ist ein Leben, das selten zur Ruhe kommt. Am vergangenen Wochenende hat es den Guard nach Berlin verschlagen, und so saß er nun im Unfallkrankenhaus Berlin in einem kleinen Raum vor Journalisten und erzählte, was ein Neuankömmling eben erzählen kann: Dass sein Arbeitgeber Alba ein Klub mit großer Tradition sei und dass er den Trainer Sasa Obradovic sehr schätze. Der habe früher sehr erfolgreich auf seiner Position gespielt, es gebe daher viel zu lernen, zumal auch die Bundesliga sehr stark einzuordnen sei.

Es geht los

Nach diesen Begrüßungsformeln nahm Hammonds nebenan auf einem Ergometer Platz. Er ließ sich an Schläuche und Kabel anschließen und absolvierte den obligatorischen Medizintest. So wie es an diesem Montag auch die anderen neuen Alba-Profis taten. Ein untrügliches Zeichen: Es geht los. Im Laufe des Tages hat der Klub das letzte Angebot für einen Spieler verschickt. Es war an den Agenten eines Centers gerichtet. „Ein Combo-Center“, wie Obradovic präzisiert. Einer, der als Power Forward eingesetzt werden kann und der zu Albas schnellem, aggressivem Stil passen soll.

Obradovic ist gestern ebenfalls ins Unfallkrankenhaus nach Marzahn gekommen. Am Sonntag hatte er bereits die Spieler zum ersten Mal um sich versammelt; er war gerade aus Belgrad eingetroffen. Neben dem umworbenen Center fehlten dabei noch David Logan, der erst am Freitag erwartet wird, sowie Alex King und Jonas Wohlfarth-Bottermann, die mit dem Nationalteam unterwegs sind. Der Coach hat über das große Ganze gesprochen: Ein Team aus jungen, zumeist deutschen Spielern soll Albas Zukunft prägen, unterstützt von international erfahrenen Profis.

Erläuterung am Pfefferberg

Wenn diese Zukunft ein Gesicht hat, könnte es wie Bar Timor aussehen. Ein wenig schüchtern, doch mit klarem Blick. Der Israeli mit deutschem Pass hat einen Vertrag für drei Jahre in Berlin unterschrieben. Andere Angebote hätten ihm vorgelegen, erzählt er, darunter zwei aus der Bundesliga. „Alba hat Mitte der vergangenen Saison angefragt“, sagt der 21-Jährige. Das langfristige Angebot habe ihn gereizt und die Perspektive, einen Neuanfang in Berlin mitzugestalten. „Wenn ich schon Israel verlasse, soll es nicht nur für ein Jahr sein“, sagt Timor, der trotz eines deutschen Passes aufgrund einer deutschen Großmutter die deutsche Sprache noch lernen muss. Den Medizintest hat Timor in diesem Augenblick bereits hinter sich gebracht. „Ich glaube, ich habe ganz ordentlich abgeschnitten“, sagt er und lacht.

Gut gelaunt ist gestern auch Coach Obradovic gewesen. Daran konnte selbst der Stau nichts ändern, in dem er auf dem Weg nach Marzahn zwischenzeitig stecken blieb. Nicht einmal die Frage, ob es ihn ärgere, dass der FC Bayern München in Yassin Idbihi, Heiko Schaffartzik, Deon Thompson und Nihad Djedovic gleich vier wichtige Profis aus seinem Kader abgeworben habe, vertrieb das Lächeln aus Obradovics Gesicht. „Ich sehe das auch als Wertschätzung meiner Arbeit.“

Die Arbeit, die jetzt vor dem Trainer liegt, erscheint sehr anspruchsvoll. Zwar tritt Alba diesmal nicht in der Euroleague an, sondern eine Etage tiefer im Eurocup, doch geht die Konkurrenz im eigenen Land gut gerüstet in die Saison. Nicht nur Meister Bamberg, der sich punktuell verstärkt, nicht nur die Bayern, die auf größerer Einkaufstour sind. „Schwere Frage“, antwortet Obradovic, als er den Zielleinlauf nach den Playoffs im Sommer 2014 tippen soll. Doch steht für ihn zweifelsfrei fest, dass Alba ein Wörtchen mitreden wird.

Entsprechend soll Albas sportliche Leitung am Donnerstagabend ab 20 Uhr im Pfefferberg den Fans die Neuausrichtung erläutern. „Potenzial“ ist das Wort, das Obradovic immer wieder benutzt. Einer wie der kroatische Center Leon Radosevic zum Beispiel, „hat das Potenzial für die NBA“. Nur sei eben Geduld gefragt, „von uns Trainern, von den Fans, von den Medien“.

Gleich morgen fangen sie nun an. Das traditionelle Trainingslager in Slowenien entfällt diesmal, die Vorbereitung wird ins Trainingszentrum an der Schützenstraße verlegt. „Wir haben da die entsprechende Einrichtung“, berichtet Obradovic. Er sagt: „Wir haben alles, was wir brauchen.“ Diesen Satz findet Clifford Hammonds sicher auch nicht schlecht. So als Motto für die Saison.