Alba-Vize Henning Harnisch: „Wir befinden uns an einer Grenze“
Am Mittwochabend ein Heimspiel gegen Vechta, am Freitagabend um 20 Uhr ist St. Petersburg in der Euroleague zu Gast, am Sonntag tritt Alba Berlin in Bamberg an. Ein höllisches Pensum zum Start in die neue Saison und ein Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Monaten auf die Basketballer wartet: mindestens 68 Spiele sind bis Anfang Mai in den Spielplan zu packen. Für Leistungssportler hat diese Tortur einen sehr großen Reiz. „Grundsätzlich steckt da das drin, was jeder Basketballer, der das mit Leidenschaft macht, liebt: Spiele gegen die Besten, eine permanente Challenge“, erzählt Henning Harnisch, „Man geht da nicht rein und hat einen rationalen, ökonomischen Blick darauf, sondern man sieht es als großen Spaß.“
Albas Vizepräsident weiß, wovon er spricht. Als ehemaliger Profi hat er jahrelang dieses Leben gelebt, ist dabei stets an die Grenzen gegangen – körperlich und psychisch. Zu seiner Zeit sei das Niveau in der Euroleague schon sehr hoch gewesen. In der Bundesliga aber habe es nur ein, zwei Teams, die annähernd das Niveau des Meisters erreicht hätten. „Danach ist das ganz stark abgefallen“, sagt Harnisch, „jetzt ist das Spielen in der Euroleague auf allen Ebenen nicht mehr vergleichbar mit damals.“ Allein die Tatsache, dass die höchste, europäische Spielklasse auf 18 Teams erweitert wurde und jeder Teilnehmer damit garantiert 34 Partien hat, beschert den Mannschaften neben der nationalen Meisterschaft, eine zweite Saison.
Respekt vor Llull und Fernandez
Wenn Harnisch, 51, Extremfälle sieht wie die spanischen Nationalspieler Sergio Llull und Rudy Fernandez, die seit vielen Jahren konstant ihre Leistung bringen, beeindruckt das den früheren Spieler von Bayer Leverkusen und Alba Berlin: „Wie sie das schaffen, mit welchen Techniken für den Kopf, aber auch den Körper, das ist mir nicht klar. Das hätte ich mit meinem romantischen Sportlerherz wahrscheinlich nicht geschafft, kann es mir zumindest schwer vorstellen. Aber da wächst man jetzt auch anders rein.“
Spieler wie Llull und Fernandez sind zudem in der spanischen ACB aktiv, der härtesten nationalen Liga Europas, in der jedes Spiel wichtig ist. Mit Spaniens Auswahl haben sie im Sommer weitere Einsätze. Das, nötigt Harnisch zusätzlich Respekt ab. „Ich habe mal einen Sommer in der Nationalmannschaft eine Pause gemacht, was damals eigentlich keiner verstanden hat. Mich hat dieses Spielen mit viel Leidenschaft auch immer sehr viel Kraft gekostet. Ich brauchte auch mal Ruhe, sonst hätte sich das schnell leer gespielt. Man spult dann nur noch ab.“
Harnisch beobachtet das in der NBA. 82 Saisonspiele hat jede Mannschaft in der nordamerikanischen Liga von Oktober bis April zu absolvieren. „Die größte Leistung der NBA ist es, dass die Ideologie so weit reicht, dass die Leute nicht hinterfragen, wie dort Basketball gespielt wird“, sagt Harnisch, „einerseits haben sie die tollsten Spieler der Welt, andererseits ist in den meisten Spielen das Niveau und die Intensität niemals voll ausgeprägt.“ Spieler werden geschont oder kommen erst gar nicht zum Einsatz.
Harte Kämpfe in der Bundesliga
Das Risiko für die Euroleague mit ihren 18 Teams, mit Hin- und Rückspielen sieht Harnisch darin, „dass sich das ähnlich entwickeln könnte“. Das fordere Teams wie Real Madrid oder den FC Barcelona besonders. „Deshalb ist es für mich fast ein Wunder, was sie machen“, sagt Harnisch. Auch die Euroleague-Teilnehmer Bayern München und Alba müssen in der nationalen Liga viele Siege hart erkämpfen. Harnisch: „Da befinden wir uns jetzt schon an einer Grenze, mehr Spiele kann es nicht geben. Vor allem nicht für die Nationalspieler.“ Vor einem wie dem Bayern-Profi Danilo Barthel hat Albas Vize Respekt. „Wie der das seit vielen Jahren jetzt schon runterspult und mit welcher Konstanz er das tut, das ist beeindruckend.“ Harnisch spricht von einer sport-psycholgischen Komponente: „Es hat ganz viel hat damit zu tun, wie man seinen Kopf darauf trimmt, dieses Programm abzuspulen.“
Die Alba-Spieler fangen nun in eigener Halle damit an. Dort gastieren am Freitag die Stars aus St. Petersburg. Die Euroleague produziere bei den Berlinern sich viel Adrenalin, sagt Harnisch, berge aber die Schwierigkeit, dauerhaft mit Niederlagen, mit Verletzungen umzugehen. „Da einen Dreh zu finden, wie man so ein langes Jahr verarbeitet, ist eine große Aufgabe.“ Harnisch kann diesen Prozess von außen beobachten, und vermutlich ist er froh darüber.