Nachlassende Qualität, Verwirrung um Kompetenzen, mangelnde Führung – oder mitten in der Saison im Urlaub weilende Verantwortliche: Manuel Gräfe nahm bei seiner Generalabrechnung kein Blatt vor den Mund. Wieder einmal zählte der ehemalige Weltklasse-Referee schonungslos die teils gravierenden Mängel im deutschen Schiedsrichterwesen auf, insbesondere die Führungsetage um Jochen Drees und Lutz Michael Fröhlich bekam im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF ihr Fett weg.
Seiner nächsten Kritikwelle folgt am Mittwoch um 11 Uhr das Wiedersehen vor dem Frankfurter Landgericht, Gräfes „Zwangspensionierung“ durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) bekommt ihr juristisches Nachspiel. „Ich verklage den DFB wegen Altersdiskriminierung“, hatte der Berliner im Juli 2021 verkündet. Zuvor hatte ihn der Verband wegen Erreichens der „Grenze“ von 47 Jahren trotz einer Protestwelle aus der Bundesliga in Rente geschickt.
„Der DFB nimmt mir das, was mir Freude macht“, begründete Gräfe seine Klage: „Für mich war der Leistungsgedanke immer der entscheidende Punkt: Die Besten sollen pfeifen.“ Das wolle er selbst auch bei einem juristischen Erfolg nicht mehr tun, betonte der 49-Jährige nun. Es gehe ihm vielmehr darum, vor Gericht für die Kollegen zu kämpfen – ein wegweisendes Urteil soll her. Denn die Altersgrenze sei „nicht zeitgemäß“ und gehöre „grundsätzlich abgeschafft“.
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Das sehen offenbar auch die Verantwortlichen beim DFB mittlerweile ein, im September brachte Fröhlich eine Aufweichung des starren Limits ins Spiel. „Wenn jemand im Gesamtpaket alles mitbringt und die Voraussetzungen erfüllt, um auch darüber hinaus noch Schiedsrichter auf dem Feld zu sein, dann sollte man das auch berücksichtigen“, sagte der Schiri-Boss. Aussagen, die auch vor dem Landgericht eine Rolle spielen dürften.
Ein erster prominenter Profiteur einer Aufweichung wäre Felix Brych, der gemäß derzeitiger Regelung als 47-Jähriger zum Saisonende ebenfalls seine Karriere beenden müsste – doch anders als beim gerne mal aneckenden, aber bei Spielern und Vereinen beliebten Gräfe will das die Führungsetage der Referees offenbar vermeiden.
Er habe diese Pläne „mit einem Schmunzeln vernommen“, so Gräfe: „Es ist nicht ganz überraschend, dass es so ausgesessen wird, bis ich auch wirklich weg bin.“ Bei ihm hatte sich der DFB trotz des Drucks aus der Liga nicht zu einer Aufweichung bewegen lassen. Es gelte stattdessen, auf die „Weiterentwicklung“ junger Referees und die „langfristige Strategie“ bei der Kaderausrichtung zu achten, begründete Fröhlich damals.
Gräfe wertete es als „sportpolitische oder persönliche Retourkutsche“. Am Mittwoch wolle er nun „ein letztes Signal“ senden, betonte der einstige Fifa-Schiedsrichter. Die Tage der Altersgrenze könnten also gezählt sein.