American Football: Missbrauch am College

New York - Wenn die Nittany Lions vor eigenem Publikum auflaufen, dann ist gewöhnlich Feststimmung im College-Städtchen State College. Hunderttausend Zuschauer füllen das riesige Stadion der College-Football-Mannschaft der Universität von Pennsylvania, rundherum wird gegrillt und Bier getrunken, und im Anschluss wird in den Kneipen meistens ein Sieg des Erfolgsteams gefeiert.

Am vergangenen Samstag war im Beaver Stadion die Stimmung jedoch eher gedämpft. Die Ränge waren zwar voll, es gab jedoch beim Einmarsch der College-Athleten keine Jubelschreie. Und statt eines heißen Tanzes der Cheerleaders wurde vor dem Anpfiff eine Gedenkminute eingelegt.

Ausgerechnet College-Legende Paterno

Es war das erste Spiel seit 1966, dass die Berglöwen ohne ihren geliebten Cheftrainer Joe Paterno austragen mussten – einer Legende im US-amerikanischen College-Sport. Doch die gedrückte Atmosphäre rührte nicht nur von der Abwesenheit von „JoePa“ her, wie er hier liebevoll genannt wird. Wirklich beunruhigend für die Fans, ja für die gesamte Universität, waren die Umstände unter denen Paterno gehen musste.

Ausgerechnet Paterno, dem es stets darum zu tun war, nicht nur den Athleten sondern den Studenten als Ganzes zu fördern, war über den größten Missbrauchs-Skandal in der Geschichte des amerikanischen Universitätssports gestolpert.

Missbrauch in 40 Fällen

Sein Assistent Jerry Sandusky soll in 40 Fällen Spieler sexuell missbraucht haben. Paterno wusste davon und hielt still. Als im Jahr 2002 ein Lehrbeauftragter beobachtete, wie Sandusky in der Dusche einen Studenten vergewaltigte, und dies Paterno meldete, leitete der den Hinweis lediglich an den Sportdirektor der Universität weiter. Dieser blieb trotz der Missbrauch-Vorwürfe untätig. Sandusky behielt weiter seinen Job. Nun wird Paterno vorgeworfen, dass er Sandusky gedeckt hat, weil er nicht die Polizei wegen der Missbrauchs-Fälle verständigte.

Mittlerweile haben ein gutes Dutzend ehemaliger Studenten gegen Sandusky, der in Untersuchungshaft sitzt, ausgesagt. Alleine am Montag meldeten sich zehn Opfer zu Wort, in den nächsten Tagen werden weitere Statements erwartet.

In seinem ersten Fernsehinterview beteuerte Sandusky trotzdem seine Unschuld. Er habe seine Schützlinge gerne gemocht, überhaupt liebe er Jugendliche, sagte er dem TV-Moderator Bob Costas. Er sei ihnen sehr nahe gewesen und habe mit ihnen viel Schabernack getrieben, doch er habe dabei nie eine Grenze überschritten. Mit solchen Unschuldsbekundungen wird Sandusky jedoch voraussichtlich nicht weit kommen. Die Indizien gegen ihn sind erdrückend.

Ausschreitungen auf dem Campus des College

Die Anklage gegen Sandusky oder seine Verurteilung wird die Universität von Pennsylvania nicht reinwaschen. Der Skandal hat sich für das College schon jetzt zu einer Katastrophe ausgeweitet. Bereits vor dem Wochenende trat der Präsident der renommierten Privatuniversität, Graham Spanier, zurück. „Unsere Universität hat schwerwiegende Probleme“, gab der Vorstand des Aufsichtsrates, John Surma, zu.

Die Probleme wurden am Wochenende noch dadurch verschlimmert, dass es vor dem Spiel auf dem Campus zu Ausschreitungen kam. Studenten protestierten gegen die Entlassung ihres geliebten Coaches Paterno, warfen Autos um und randalierten die halbe Nacht. Jetzt muss sich die Hochschule den Vorwurf gefallen lassen, gegenüber dem Tatbestand des Missbrauchs vollkommen unsensibel zu sein. Jedenfalls, wenn es um Football geht.

Auf das Spiel gegen Nebraska konnten sich die Spieler der Lions unter diesen Umständen nicht so recht konzentrieren – sie verloren mit 14:17. Als Trainer am Spielfeldrand stand in Vertretung seines Vaters Jay Paterno. „Ich bin über das alles sehr traurig“, war das einzige, was er nach der Niederlage gegen die Cornhuskers über die Lippen brachte. Dann ging er hinüber in sein Elternhaus, um seinen Vater zu besuchen, der das Stadion des College-Teams erstmals seit 45 Jahren wegen der Missbrauch-Affäre gemieden hatte. Dort warteten schon eine Menge an Fans und empfing ihn mit lautem Jubel. Paterno reckte kurz als Zeichen des Behauptungswillens sich gegen die Missbrauch-Vorwüfe am College seine Faust in die Luft. Überzeugend wirkte das nicht.