Beim Aufbruch in eine neue Zeit setzt Bundestrainer Hansi Flick auf Mentalität

Mit dem 4:0 in Nordmazedonien löst Deutschland als erstes Team weltweit neben Gastgeber Katar das WM-Ticket. Was ist 2022 drin? Das ist die große Frage.

Bundestrainer Hansi Flick gibt die Richtung vor: Die WM ist erreicht, jetzt sollen die nächsten Schritte in Richtung Weltspitze folgen.
Bundestrainer Hansi Flick gibt die Richtung vor: Die WM ist erreicht, jetzt sollen die nächsten Schritte in Richtung Weltspitze folgen.dpa/Marcus Brandt

Berlin-Eine kleine Spontan-Feier im Teamhotel gönnten sich Hansi Flick und seine Express-Qualifikanten nach dem finalen Schritt zur WM in Katar schon. Beim Mannschaftsessen nach Mitternacht wurde nach Angaben von Teilnehmern auch mit einem Gläschen angestoßen. Und DFB-Interimschef Peter Peters und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff belobigten in ihren Dankesworten wie schon der Bundestrainer zuvor im Nationalstadion von Skopje nach dem 4:0-Statement gegen Nordmazedonien die erfrischende und leistungsfördernde „Mentalität“ beim Aufbruch in eine neue Zeit nach 15 Jahren mit Joachim Löw.

Die Botschaft der Nacht lautete: „Weitergehen auf diesem Weg!“ Und eine Hoffnung schwingt im Team und auch bei den Fans immer mit: Hansi schafft das! „Wir sind an einem guten Punkt“, sagte Bierhoff: „Wir haben schon die Dinge sehr schnell umgesetzt, das, was Hansi Flick auch fordert.“ Ihn freue, „wie die Mannschaft zusammenwächst“.

In Ruhe und ohne Druck gegen Liechtenstein und Armenien

Am Dienstagmorgen flog der Tross mit Zwischenstopp München zurück nach Frankfurt. Der Vereinsalltag fordert die Spieler nun wieder im Dauerspielbetrieb. Flick kann derweil als oberster WM-Projektleiter zusammen mit Cheforganisator Bierhoff vor den abschließenden zwei Quali-Partien im November gegen Liechtenstein und Armenien in aller Ruhe über die ideale Marschroute zur Glühwein-WM in Katar brüten. Das Turnier in der Wüste vom 21. November bis 18. Dezember 2022 ist sportlich das neue Traumziel.

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Deutschlands Rolle beim Kampf um den goldenen WM-Pokal muss sich freilich noch finden nach der Pflichtübung Platz eins in der Ausscheidung. „Das Ergebnis braucht man in der Gruppe auch nicht überzubewerten“, sagte Bierhoff nach den fünf Siegen unter Flick gegen Liechtenstein (2:0), Armenien (6:0), Island (4:0), Rumänien (2:1) und nun im nasskalten Skopje. Aber zur Erinnerung: Mit Löw wurde das Hinspiel gegen die Mazedonier noch mit 1:2 verloren.

Der schwer erkältete Flick verabschiedete sich aus Skopje mit hörbarem Stolz in der angegriffenen Stimme. „Wir haben unser Ziel erreicht. Wir haben uns als erste Nation nach Katar qualifiziert für Katar“, sagte der Bundestrainer. Der Gastgeber war für einen der 32 WM-Startplätze gesetzt. Flick versprach nichts für 2022 - und hält trotzdem alles für möglich. „Wir müssen uns entwickeln bis zur WM. Wie weit wir dann sind, weiß ich nicht. Aber ich weiß auf jeden Fall, mit dieser Mentalität ist einiges machbar“, sagte der 56-Jährige.

Er steht noch am Anfang eines Weges, der an der Weltspitze enden soll. Der Maßstab sind jetzt wieder die Großen des Weltfußballs wie jene vier Teams, die gerade den Gewinner der oft belächelten Nations League ausgespielt haben: Frankreich, Spanien, Italien, Belgien. Flick ist nicht bange, wenn er auf seinen Bayern-Block schaut, mit dem er in München 2020 das Triple gewann. Oder auf sein aktuelles Champions-League-Siegertrio vom FC Chelsea.

„Von der Qualität unserer Spieler, wenn man mal anschaut, wo sie spielen, muss man einfach sagen, haben sie auch die Qualität, gegen Italien, Spanien, Frankreich, Belgien zu bestehen. Ich bin da sehr zuversichtlich“, verkündete Flick. Ihm ist es wie vor zwei Jahren in München als Chefcoach gelungen, intern für einen Stimmungswandel zu sorgen und mit seiner offensiven Spielidee Spieler und Fans sofort zu begeistern und ganz schnell hinter sich zu vereinen.

Die Nationalspieler haben Lust auf Länderspiele

„Jeder hat Bock auf die Nationalmannschaft“, sagte Manuel Neuer zur neuen Lust auf Länderspiele. Der Kapitän hat schon vor Flicks Start im September als Erster davon gesprochen, in Katar Weltmeister werden zu wollen. Der 35-Jährige rief dafür den amtierenden Europameister als Vorbild aus: „Italien ist eine Einheit gewesen auf dem Platz. Sie haben es uns vorgemacht. Sie haben zusammengehalten. So muss es bei uns auch werden.“ Das bislang Erreichte macht dem Torwart und Weltmeister von 2014 Mut: „Wir haben tolle Akzente gesetzt.“

Flick weiß - ebenso wie Neuer -, dass noch viel zu tun ist, um höchste WM-Ansprüche anmelden zu können. Bei der Auslosung der Gruppengegner im Frühjahr 2022 wird die Kugel mit dem Kärtchen „Deutschland“ nicht im Topf der Top-Nationen wie Italien, England, Brasilien oder Argentinien sein. Der viermalige Weltmeister wird nur in Topf zwei landen. Egal, findet Neuer. Flick hat viel Potenzial im Kader. Er baut eine Achse um Siegertypen wie eben diesen Neuer, Joshua Kimmich und Leon Goretzka als Herzstück im Mittelfeld sowie dem unverzichtbaren Offensiv-Antreiber Thomas Müller. Flicks größtes Vermögen aber ist es, intern eine Wagenburg des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen.