Borussia Dortmund: Himmlische Ballverluste

Als schon alle anderen Dortmunder in den Mannschaftsbus gestiegen waren, stand Kevin Großkreutz noch immer vor einer kleinen Gruppe von Journalisten. Er plauderte vergnügt über den 1:0-Sieg beim FC Bayern und über die „geile Mannschaft“, in der er spiele. Es fehlte nicht viel, und Großkreutz hätte alle Sehenswürdigkeiten der Stadt aufgezählt, deren Skyline er sich einst auf die Wade tätowieren ließ.

Es war durchaus eine Überraschung, dass der Durchmarsch der Bayern zum Titel nach dem Topspiel am Samstagabend vorerst abgesagt werden musste. Von einer kleinen Vorentscheidung hatten die Münchner geträumt, dem ausgemachten Hauptrivalen um den Titel wollten sie mit einem Sieg auf acht Punkte enteilen. Nun ist die Spitzengruppe eng zusammengerückt. Großkreutz verzichtete jedoch auf Kampfansagen: „Die Bayern bleiben Favorit, wir wollen ins internationale Geschäft.“

Blick von oben

Die enttäuschten Münchner befanden sich da längst auf dem Heimweg. „Diese Niederlage schmerzt“, hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge gesagt, aber auf die Unterscheide zur Vorsaison verwiesen, als die Dortmunder im Februar mit dem 3:1-Sieg an gleicher Stelle die Weichen zum Titelgewinn gestellt hatten.

„Vor ein paar Monaten war es eine Lektion, jetzt war es eine unglückliche Niederlage“, hielt Rummenigge fest und empfahl eine gelassene Sicht der Tabellenlage: „Wir können aus der Position der Stärke die Dinge von oben anschauen.“ Das Spiel warf die Frage auf, ob diese Einschätzung mehrheitsfähig ist. Zwar hatten die Bayern mehr Spielanteile und Torschüsse zum lange Zeit verkanteten Match beigetragen. Doch das Tor des Tages erzielte der Meister. Mehr als eine Stunde lang gab es für die frierenden Zuschauer wenig Erwärmendes zu bestaunen. Dann waren die Gäste für die eine jener ganz großen Szenen verantwortlich, von denen man sich eine Vielzahl erhofft hatte. Mario Götze spielte mit Shinji Kagawa Doppelpass, der Ball flog in die Luft, Bayerns Jerome Boateng verlor ihn aus den Augen, und Götze, den die Münchner gern bald in ihren Reihen hätten, schoss aus kurzer Distanz zum 1:0 ein (65.).

„Es ist bitter, dass wir in so einem Spiel nicht in Topform waren“, klagte Bayerns Kapitän Philipp Lahm. „Wir haben es nicht verstanden, das Tempo hochzuhalten und Chancen zu kreieren“, sagte Trainer Jupp Heynckes.

Und Toni Kroos bemängelte „zu wenig Bewegung“. Ob es neben dem Fehlen des verletzten Bastian Schweinsteiger auch an den Umbauten lag, dass die Münchner ihr strammes Offensivspiel nicht aufziehen konnten?

Nimmermüde Dortmunder

Arjen Robben stand bei seiner Rückkehr in den Kader gleich in der Startelf. Erstmals seit dem 1. Oktober und nach seiner Leisten-Operation konnte der Niederländer wieder mitwirken. Heynckes rückte dafür von seinem jüngsten Prinzip ab, eine funktionierende Mannschaft nicht für einen Personalwechsel auf mehreren Positionen zu verändern. Nun aber rutschte Kroos ins defensive Mittelfeld und Thomas Müller dafür in die Zentrale, um Platz auf rechts für Robben zu schaffen. Heynckes wechselte Robben und Müller aus und beklagte später zu wenig Tempo über die Außenbahnen.

Wesentlichen Anteil am statischen Spiel der Bayern hatten die Dortmunder. Nimmermüde attackierten sie den Ballführenden, stellten die Passwege zu, doppelten auf den Außenpositionen und provozierten Ballverluste. „Wir haben nicht die Sterne vom Himmel gespielt“, sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp, „aber wir haben die Sterne vom Himmel verteidigt.“

Am Dienstag erwarten die Münchner in der Champions League den FC Villarreal. Es geht darum, den Einzug ins Achtelfinale perfekt zu machen. Vorfreude war nicht zu vernehmen. „Schnauze abputzen – und am Dienstag gewinnen“, sagte Rummenigge. Es klang wie ein Befehl.