Berlin-Für die BR Volleys ist die sportliche Lage brenzlig wie lange nicht mehr in einem Halbfinale: Siegen oder fliegen? Finale oder finito? Gewinnen Berlins Volleyballer am Sonnabend das entscheidende Playoff in Düren gegen die Powervolleys (19.30 Uhr, sporttotal.tv), ziehen sie ins Meisterschafts-Endspiel ein. Dort wartet bereits der VfB Friedrichshafen, der sich in zwei Spielen gegen Lüneburg durchgesetzt hat. Verliert der amtierende Meister jedoch, ist die Saison für Sergej Grankin, Benjamin Patch, Julian Zenger und Co. zu Ende. Ohne Titel, ohne Schnörkel, ohne Champions-League-Qualifikation.
Zieht Berlin zum zehnten Mal hintereinander ins Finale ein?
Um zum zehnten Mal hintereinander die Finalserie zu erreichen, muss das Team von Trainer Cedric Enard Dürens körperlichem und mentalen Kampf- und Kraftvolleyball sowie deren fulminantem Aufschlagmonster Sebastian Gevert alles entgegensetzen, was es hat. „Wenn wir keine breite Brust zeigen, wird es schwierig“, sagt Berlins Trainer Cedric Enard.
Die beiden ersten Partien der Best-of-three-Serie gewannen die Heimteams jeweils 3:1. Und an Gevert, dem Deutsch-Chilenen, der in Mexiko-Stadt geboren wurde und in Chile aufwuchs, lässt sich ganz gut erklären, wie das Spiel der Powervolleys Düren funktioniert. „Sebastian ist ein echter Anführer, der nicht nur dann abliefert, wenn es besonders wichtig ist, sondern auch dafür sorgt, dass seine Mitspieler stärker werden“, erläutert Dürens Trainer Rafal Murczkiewicz.
Meistgelesene Artikel
Wie der 32-Jährige sein Team anführt, ist nicht zu übersehen: laut, extrem emotional, voller Dominanz-Gesten. Er spannt den Bizeps, wedelt mit der Faust, wirft Alpha-Männchen-Blicke auf die andere Netzseite und feuert seine Teamkameraden aggressiv an. In Spiel eins kamen die Berliner mit Geverts wuchtigen Sprungaufschlägen, denen er häufig einen ekligen Sidespin beimischt, kaum fertig. Sieben seiner 20 Punkte waren Asse. „Selbst wenn er nicht seinen besten Tag hat, gibt er seinen Mitspielern viel Selbstvertrauen. Aber das mit den weniger guten Tagen kommt sehr selten vor“, lobt Trainer Murczkiewicz die Konstanz seines wichtigsten Angreifers, der die Bälle zwar nicht irgendwo an der Spitze der Antenne abschmettert, wie Patch, sie dafür aber enorm schnell kurz über der Netzkante abfeuert.
In Spiel zwei hatte der Volleys-Block, allen voran Eder Carbonera, mehr Zugriff auf den 2,04 Meter großen Linkshänder auf der Diagonalposition. Gleichzeitig schlugen die Berliner durchweg besser auf und setzten dem Kampfmodus der Dürener mehr eigenen Willen, mehr Aggressivität entgegen. Zudem waren die Angreifer, allen voran Patch mit 30 Punkten weitaus effektiver.
Die psychologische Seite des Volleyballs
Volleyball hat immer auch die psychologische Seite, sagt Berlins Trainer Enard: „Zum einen spielt Düren sehr stabil und sehr gut. Zum anderen zeigen sie diesen Kampfcharakter auf dem Feld. Er ist Teil ihres Spiels. Sie schauen dem Gegner nach jedem Punkt in die Augen. Das ist nicht Arroganz, sondern das verdeutlicht: Wir sind in einer Schlacht. Und nur einer wird überleben.“
Bei Düren zeigt nicht nur Gevert diese Haltung, sondern auch andere Routiniers wie die Mittelblocker Michael Andrei und Tim Broshog oder Zuspieler Tomas Kocian. „Bei uns ist Pierre Pujol so eine Art von Spieler“, sagt Berlins Trainer Enard. „Er ist einer, der dem Gegner immer einen Blick zuwirft, ein Lachen, ein paar Worte. Auch Samuel Tuia kann da mithalten, aber nur, wenn ihn der Gegner provoziert. Er fängt damit nie an.“
In Düren, hat Gevert unlängst erzählt, genieße er es sehr, dass wirklich das Musketiere-Motto gelebt werde: einer für alle und alle für einen. Auf dem Feld lasse ihm der Trainer „freie Hand, um meine Mitspieler zu packen und sie mitzureißen“.
Im zweiten Halbfinalspiel am Mittwoch haben die 800 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle ihren Teil dazu beigetragen, dass die Berliner neben ihrem individuellen, spielerischen Potenzial auch ihre Kampfkraft entdeckten. „Nur so, wie wir alle gemeinsam am Mittwoch gearbeitet haben, kann es gehen. Das waren der Wille und die Emotionen, die wir brauchen“, sagt Volleys-Coach Enard, der an der Seitenlinie seine Körpersprache ebenfalls vehement einsetzte. In Spiel drei am Sonnabend in Düren erwarten nun alle ein sehr intensives Duell.