Berlin-Im Segler- und Surferparadies La Rochelle ließ sich bei strahlendem Sonnenschein die Frustbewältigung bei Emanuel Buchmann ein wenig angenehmer betreiben. Ein paar Kilometer spulte der angeschlagene Radstar auf seinem Arbeitsgerät an der Atlantikküste ab, ansonsten stand Regeneration ganz oben auf dem Tagesprogramm. Der Ruhetag bei der 107. Tour de France kam Buchmann gut zupass, nachdem sein sensibler Motor am Wochenende in den steilen Pyrenäen gefährlich in den roten Bereich geraten war.
Buchmann und Co. nutzten den Standortwechsel auch, um eine Planänderung zu vollziehen. Denn von den Podiumsträumen ist nichts mehr übriggeblieben. „Das Gesamtklassement ist hinfällig. Wir werden versuchen, auf Etappensiege zu fahren“, sagte Sportdirektor Enrico Poitschke und formulierte die neue Ausrichtung. Alles andere wäre bei fast sechs Minuten Rückstand in der Gesamtwertung auch unrealistisch gewesen.
Dabei hatte Buchmann so sehr auf das große Ziel hingearbeitet, sogar mit dem ganz großen Coup geliebäugelt. Entsprechend war die Stimmung des 27-Jährigen nach dem Systemausfall auf den Rampen im Grenzgebirge im Keller. „Ich habe alles gegeben, aber mehr war einfach nicht möglich“, sagte er in einer virtuellen Gesprächsrunde. Dass aber gerade am Sonntag nicht viel möglich war, merkte er früh. Den ganzen Tag hatte er sich schlecht gefühlt und konnte mit der Spitze nicht mithalten.
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„Mental ist es schwer zu akzeptieren, dass man nicht ganz vorne mitfahren kann. Er hat monatelang darauf hingearbeitet. Wenn man dann angeschlagen in die Tour geht und merkt, dass es nicht funktioniert, ist das hart“, ergänzte Poitschke. Durch den Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt habe das Leichtgewicht aus dem Bora-hansgrohe-Team aber zu viele Trainingstage, zu viel Energie verloren.
Was wäre sonst wohl möglich gewesen? „Viel“, sagte Teamchef Ralph Denk, „die Leistungen sind ja messbar. Dieses Tempo der Favoritengruppe wäre er mit seiner Dauphiné-Form relativ leicht ohne besondere Quälerei mitgegangen.“ Stattdessen wurde er abgehängt, als die Stars um den neuen Gelbträger Primoz Roglic beim ersten Kräftemessen ernst machten.
So glich das Kyriad-Hotel in Aytré unweit von La Rochelle einem kleinen Sanatorium. Denn auch die drei Teamkollegen Maximilian Schachmann, Lennard Kämna und Gregor Mühlbauer kurierten Sturzverletzungen aus. „Der Körper geht in eine Art Notmodus. Bis hierher und nicht weiter“, sagte Lennard Kämna dem ZDF und fügte hinzu: „Wir erholen uns langsam. Ich glaube, dass wir in der zweiten und dritten Woche besser fahren werden.“
Dann soll ein Etappensieg als Mindestziel herausspringen. Man werde nun schauen, welche Etappen Buchmann liegen. Und auch Schachmann, bei dem drei Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch die Werte besser werden, könnte noch eine Rolle spielen. „Aber an erster Stelle steht die Verteidigung des Grünen Trikots“, betonte Poitschke mit Blick auf die Punktewertung, die Ex-Weltmeister Peter Sagan noch knapp anführt. Richtig überzeugen konnte aber auch der Slowake noch nicht.