Champions-League-Blond? Trainer Enard will das beste Gesicht der Volleys sehen
Das Hinspiel gegen Ziraat Ankara fiel wegen des Erdbebens aus. Für die BR Volleys entscheidet nun ein Spiel über den Viertelfinaleinzug in der Champions League.

Teamentwicklung kann sich auf viele Arten vollziehen. Auch in der Küche – so wie zuletzt in Berlin-Kreuzberg bei Benjamin Patch. Der frühere Diagonalangreifer der BR Volleys hatte kürzlich Besuch von seinen Volleyball-Kollegen. Sie blieben einige Zeit und kamen dann völlig verwandelt und farblich neu inspiriert aus der Tür von Patchs Dachgeschosswohnung. Der hatte Berlins Angreifern Ruben Schott, Marek Sotola und Antti Ronkainen sowie den Mittelblockern Nehemiah Mote und Saso Stalekar die Haare gefärbt – platinblond. Eine Art Patch-Metamorphose? Der neue Champions-League-Style? „Ich bin nicht sicher“, antwortet Patch mit einem Augenzwinkern, „ich glaube, die Jungs wollten überhaupt mal ein bisschen Stil.“
Entscheidungsspiel in der Berliner Max-Schmeling-Halle
Wie die Spieler auf ihren Köpfen aussehen, ist Cedric Enard egal. Der Trainer schmunzelte, als die Blondgefärbten ins Training kamen. Wichtig ist für ihn aber, was direkt unter der Frisur in den Gedanken passiert. Vor allem an diesem Mittwoch, wenn der türkische Meister Ziraat Bank Ankara zum entscheidenden Champions-League-Spiel in der Max-Schmeling-Halle antritt (19.30 Uhr). „Natürlich kommt es bei Spielen auf diesem Niveau immer auf Annahme und Aufschlag an, aber entscheidend wird unsere Einstellung sein, die Mentalität, mir der wir in die Partie starten“, sagt Enard.
Aus dem Hin- und Rückspiel dieser Zwischenrunde ist ein einziges Duell um den Einzug ins Champions-League-Viertelfinale geworden, wo das italienische Topteam Perugia als Gegner wartet. Vorige Woche hatten die BR Volleys bereits am Berliner Flughafen eingecheckt, als das Hinspiel in Ankara wegen der Erdbebenkatastrophe abgesagt wurde. Jetzt verdichtet sich alles auf einen Abend. „Es gibt nur diese eine Chance aufs Weiterkommen. Damit müssen wir umgehen, Ziraat aber auch“, sagt Enard.
Wobei die türkische Mannschaft deutlich mehr Champions-League-Erfahrung gesammelt hat als das weitaus jüngere Berliner Team. So hebt Enard etwa Ankaras Zuspieler, den 37 Jahre alten Arslan Eksi, hervor. „Er ist der Zuspieler der türkischen Nationalmannschaft, ein wirklicher Spielmacher, ein Organisator, einer, der seine Erfahrung auf das Feld bringt.“
Neben ihm hat sich bei Ankara der frühere Volleys-Profi Wouter ter Maat zu einem europäischen Topangreifer entwickelt. Der Niederländer, der in der Saison 2016/17 mit den BR Volleys in das Final Four der Champions League einzog, erzielte dabei in den sechs Spielen genauso viele Punkte wie sein Berliner Pendant Sotola (125). Beide zählen damit zu den absoluten Topscorern der Königsklasse. „Mit Wouter spielt Ankara extrem schnell, dazu kommt sein wirklich guter Aufschlag“, weiß Schott. Und Enard erläutert: „Ziraat war zuletzt schon ein gutes Team, und jetzt haben sie auch noch einen großen Bonus.“
Ankaras Zugang Osmany Juantorena ist ein Mann für große Spiele
Denn vor rund zwei Wochen überraschte Ankara mit einem spektakulären Coup. Der Klub verpflichtete in Osmany Juantorena einen Spieler, der zu den weltbesten Außenangreifern des vergangenen Jahrzehnts gehört und bereits zweimal mit Trentino und einmal mit Lube Civitanova die Champions League gewann. Kaum ein Volleyballer spielt so elegant wie der in Italien eingebürgerte Kubaner. „Er ist ein fantastischer Spieler. Ich könnte stundenlang Videos von ihm ansehen. Seine Technik ist fließend, seine Sprünge federleicht, er fliegt Richtung Netz und ist unglaublich effizient in allen Bereichen“, schwärmt Enard von dem Zwei-Meter-Mann, der mit Italien Olympia- und WM-Zweiter wurde.
Juantorena ist mittlerweile 37 Jahre alt, spielte zuletzt in China, hielt sich nach dem Ende der dortigen Liga aber in Italien fit. „Durch die Verpflichtung von Juantorena wird es für uns ganz sicher nicht einfacher. Er spielt mit Ruhe und Erfahrung, ist ein Mann für große Spiele“, weiß Berlins erblondeter Außenangreifer Schott. „Ankara hat jetzt extreme Wucht im Angriff, aber in der Annahme können wir sie packen“, glaubt er.
Die Bundesliga-Generalprobe für das Champions-League-Spiel misslang den Berlinern beim 0:3 in Lüneburg am Wochenende allerdings völlig. „Da wir offensichtlich schon am Samstag mit dem Kopf bei der Partie gegen Ankara waren, sollten wir mental gut vorbereitet sein“, bemerkte Volleys-Manager Niroomand süffisant. Enard weiß, dass Ankaras Zugang Juantorena allein schon mehr Champions-League-Routine hat als sein komplettes Berliner Team. „Aber ich verlange von meinen jungen Spielern ein frisches, mutiges Spiel, in dem sie alle ihr Maximum geben, ihr bestes Gesicht zeigen“ – ob sie das mit einer platinblonden, haselnussbraunen oder schwarzgelockten Frisur tun, ist dem Trainer wirklich egal.