Champions League Real Madrid: Mesut Özil: Reals flatterhaftes Genie
Jetzt muss José Mourinho doch mit Mesut Özil spielen. Neu ist das für den Trainer von Real Madrid nicht. Der Portugiese hat den Deutschen im Sommer 2010 schließlich in die spanische Hauptstadt transferieren lassen − ein Wunschspieler, feiner Fuß, ein Tänzer, brillantes Hirn − so es denn arbeiten möchte.
Knapp drei Jahre später aber hat Mourinho für sich herausgefunden: Genau das ist das Problem. Özils Hirn will nicht immer, vor allem nicht in großen Partien. Und was anderes ist das Halbfinal-Hinspiel in der Champions League am Mittwoch in Dortmund gegen die Borussia als groß? Dann brach im Spiel Reals gegen Betis Sevilla am Samstag in der Primera División die 63. Minute an, Luca Modric griff sich ans rechte Bein, der Muskel − und vorbei war es mit der Alternative für die Partie in Alemania.
Dann eben mit Özil.
Es könnte Mourinho schlimmer treffen. Zwar reist der junge Deutsche mit 90 Spielminuten gegen Betis in den Beinen nach Dortmund, während sein Trainer über die Hälfte des Stammkaders für die Partie gegen den BVB schonte, Fábio Coentrão, Sergio Ramos, Xabi Alonso und Sami Khedira lud er gar nicht ein, Raphaël Varane, Pepe, Angel Di María und Gonzalo Higuaín saßen auf der Bank. Aber Özils Auftritt − einer der besten in der Saison. Er bereitete ein Tor vor, schoss zwei selbst. Endstand: 3:1.
Pepe Mel, Sevillas Trainer sagte nach der Partie: „Özil ist einer der großen Spieler, die in der spanischen Liga nicht geschätzt werden. Für mich spielt er auf der Höhe von Messi und Cristiano Ronaldo. Es unterscheidet ihn nur eine Sache: Er schießt weniger Tore. Trotzdem, Real besitzt mit Özil einen Diamanten.“
Özil bebte, eine Träne floss
Er müsste nur geschliffen werden. Doch von wem? Drei Spielzeiten lang hat sich Mourinho an dem 24-Jährigen versucht. In seinen Augen vergeblich, Özil ist nicht berechenbar, gegen Betis ein Genie, aber gegen große Gegner, Mannschaften wie Barcelona oder Manchester United, nicht besser als Ersatzbank. Anfang dieser Saison gab Mourinho deshalb sein Vorhaben auf.
Im Spiel gegen Deportivo La Coruña demütigte er seinen schwachen Passgeber vor versammeltem Kader. In der Halbzeitpause attestierte er dem Deutschen: „Du hast es nicht drauf, für Real Madrid zu spielen.“ Özil bebte, eine Träne floss, er zog sich die Schienbeinschoner von den Beinen. „Was ist los“, rief Mourinho. „Gibst du jetzt auf?!“ Eine Antwort wartete er nicht ab und schickte Kaká zum Aufwärmen. Draußen im Stadion zeigte die Anzeigetafel den Halbzeitstand an: Real gegen Deportivo − 3:1.
Viel ist seither über die Motive spekuliert worden. Mourinho sei von Özils Freizeitverhalten enttäuscht, der Deutsche wiederum von Mourinhos erzener Loyalität gegenüber Cristiano Ronaldo, in dessen Schatten ihm zunehmend kühl wurde, dann sein Wechsel aus dem Lager der Unparteiischen zu den internen Rebellen um die Spanier Iker Casillas und Sergio Ramos, und letztlich Özils mittlerweile vielfach kolportierte Eingliederung auf eine Transferliste im Winter.
Momentan unverkäuflich
Dass er nicht verkauft wurde, lag an Florentino Pérez. Reals Präsident erfüllt seinem portugiesischen Trainer in der Regel alle Wünsche, er weiß, viele bessere Übungsleiter gibt der Markt nicht her. Bei Özil aber intervenierte er, denn wenig ist von der alten Idee des Weißen Ballets in königlichen Trikots übrig geblieben, nur Özil erinnert noch daran. Kein Zweiter tanzt so gewandt, Pérez verfügte deshalb: momentan unverkäuflich.
Er schenkte Mourinho dafür Modric, der für 40 Millionen Euro von Tottenham Hotspur kam. Mourinho hat jetzt Optionen und Özil endlich einen guten Grund, um sich zu fragen, ob der Trainer mit seiner Meinung über ihn so falsch liegt.
Seit er Gefahr läuft, entscheidende Partien auf der Bank verbringen zu müssen, nämlich die in der Champions League, zeigt er jedenfalls seine beste Seite. Gegen Betis das eine. Das Spiel zuvor gegen UD Levante war das andere. Özil saß wie Ronaldo auf der Bank, diesmal der Erholung wegen: Nur Khedira läuft in Real-Spielen mehr als sein Landsmann, bei dem Abwehrspieler sind es 130 Meter pro Minute, bei Özil 129. Real lag zurück, drehte die Partie, aber ein 2:1 ist keine Bank.
In der 77. Minute kam Özil, elf Minuten später stand es 3:1, dann schoss der Deutsche noch zwei Tore. Mourinho kommentierte diesen Auftritt nicht. Dafür aber Reals Hausblatt Marca, es titelte: „Özil ist in der Form seines Lebens!“