Deutsche Nationalmannschaft sendet mit elf Buchstaben eine klare Botschaft

Vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Island lassen die Spieler ihr T-Shirts sprechen. Leon Goretzka erklärt den Hintergrund der Aktion.

Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft stehen vor dem Spiel gegen Island zusammen und bilden den Schriftzug „Human Rights“. 
Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft stehen vor dem Spiel gegen Island zusammen und bilden den Schriftzug „Human Rights“. dpa/Tobias Schwarz

Berlin-Die selbstgepinselte Elf-Buchstaben-Botschaft der Nationalspieler an Katar hallte nach – und Joachim Löw will das Ausrufezeichen hinter ihr sein. „Absolut“, sagte der Bundestrainer: „Das sollte ein Zeichen sein, dass wir für alle Menschenrechte auf der Welt einstehen. Dafür, welche Werte wir vertreten. Das war gut und wichtig.“

Ungeteilte Begeisterung löste die überraschende HUMAN-RIGHTS-Aktion beim 3:0 (2:0) gegen Island aber nicht aus. Dagmar Freitag, Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag, lobte zwar die grundsätzliche Aussage, sieht aber auch Anzeichen für Doppelmoral.

„Ich habe keinerlei Zweifel an der persönlichen Haltung der DFB-Nationalspieler“, sagte Freitag. Wie „schwierig die Gemengelage“ sei, zeige sich, wenn „einige Mitglieder des Teams wenige Tage später wieder mit dem Schriftzug ihres Sponsors Qatar Airways auf dem Trikotärmel auflaufen (müssen)“. Die nationale Fluggesellschaft Katars sponsert Bayern München, das fünf Spieler der Startelf stellte.

Die spannende Frage, ob der sonst extrem zurückhaltende Verband in die spontan wirkende Aktion eingeweiht war, ließ der Deutsche Fußball-Bund trotz Nachhakens offen. Löw betonte, er habe nichts angeregt. „Die Spieler haben das selbst am Mittag gemalt und geschrieben“, berichtete er.

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Wahrscheinlich wandelte die Nationalmannschaft aus einem Impuls heraus auf den Spuren der Norweger, deren ähnliche Botschaft vom Mittwoch gut angekommen war. „Deutschland kopiert Norwegen“, schrieb die Zeitung Verdens Gang stolz, Nationaltrainer Stale Solbakken merkte an: „Jetzt folgt einer der Großen, das hat einen guten Effekt.“

Leon Goretzka, vorbildlicher Vorsprecher auch gegen Rassismus, erklärte im Namen der Mannschaft den Hintergrund. „Wir möchten der Gesellschaft klarmachen, dass wir das nicht ignorieren, sondern ganz klarmachen, welche Bedingungen da herrschen müssen“, sagte der Torschütze. „Wir haben große Reichweite – und können die wunderbar nutzen.“

Der englische Guardian hatte kürzlich berichtet, dass seit der WM-Vergabe an das Emirat 2010 mehr als 6500 Menschen auf Stadion-Baustellen gestorben sind. Katar steht bei Menschenrechtsorganisationen seit Jahren wegen der Ausbeutung von Gastarbeitern stark in der Kritik.

Dies vor Millionenpublikum anzusprechen, gefiel auch Uli Hoeneß – der aber als Bayern-Ehrenpräsident bei RTL argumentativ die Kurve bekommen musste. „Ich finde das sehr gut. Wir wollen mündige Spieler“, sagte Hoeneß: „Eine WM in Katar, ein Engagement des FC Bayern dort kann dazu führen, dass die Arbeitsbedingungen besser werden.“ Die Münchner fliegen regelmäßig zu Trainingslagern nach Doha.

Dort ist dann auch Joshua Kimmich dabei, der gelobte, weiter den Mund aufzumachen. „Wir haben die Kraft, Dinge anzusprechen, wenn das eine oder andere nicht passt auf der Erde“, sagte er. „Da hat man die Chance, mit dem Fußball die Aufmerksamkeit auf Missstände zu richten. Das wollen wir im Hinblick auf die WM tun.“ Genau dies fordert auch Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty Deutschland: „Die Zeiten, in denen Sport unpolitisch zu sein hatte, sind vorbei“, sagte sie.

Das sieht inzwischen sogar die Fifa so. Der Weltverband teilte mit, er glaube „an die Meinungsfreiheit und an die Kraft des Fußballs, Wandel voranzutreiben“. Die Aktion werde nicht sanktioniert.