Deutscher Meister: Die Berlin Volleys haben sich neu erfunden

Der Gewinn des deutschen Pokals zeigt, dass sich die BR Volleys nach dem Weggang von fünf Weltklasse-Spielern als Team immens entwickelt haben.

Lamettamoment in Mannheim: Die Berlin Volleys haben den deutschen Volleyball-Pokal gewonnen, Kapitän Angel Trinidad hält ihn nach oben.
Lamettamoment in Mannheim: Die Berlin Volleys haben den deutschen Volleyball-Pokal gewonnen, Kapitän Angel Trinidad hält ihn nach oben.Norina Tönges/imago

Den Boden der Umkleidekabine in der Mannheimer Arena hatten die BR Volleys in eine Schlitterbahn verwandelt. Mit Bier, Siegerbier aus einer Berliner Brauerei. Auf dem promillehaltigen Grund rutschten die deutschen Volleyball-Pokalsieger unter den Kollegen hindurch, die breitbeinig dastanden: erst Antti Ronkainen, dann Tim Carlé, dann Cody Kessel. Nach dem 3:1-Sieg am Sonntagnachmittag gegen die Powervolleys Düren war die Kabinenparty der Berliner der Auftakt in eine Nacht im Doppeldeckerbus, die erst am Montagmorgen in Berlin zu Ende war.

BR Volleys feiern mit den mitgereisten Fans in der Arena

Frisch geduscht kamen Johannes Tille, Anton Brehme, Ruben Schott und ihre Teamkameraden zu den Fans in die erste Arena-Etage hinter Block 214. Dort stießen sie in der Ecke, in der sich sonst die Eishockey-Anhänger der Mannheimer Adler treffen, an Tischen und Stühlen aus weiß lackierten Tonnen mit ihren Fans an, die in zwei Bussen angereist waren. Brehme kam barfuß, aber dauergrinsend in roten Adiletten. Marek Sotola, der den Matchball verwandelt und 21 Punkte zum Sieg beigesteuert hatte, wirkte mit orangefarbigem Panamahut noch größer als er mit 2,06 Metern ohnehin ist. 

Trainer Cedric Enard, der Brehme in der Kabine mit dem Inhalt seines überdimensionalen Pilsglases als Pokalsieger-Novizen mit den Worten „in nomine Patris“ getauft hatte, stieß mit Teamarzt Oliver Miltner an. Nebenan duftete es bei XXtra Wurst nach Gegrilltem. Und in der Halle waren die Volleyballerinnen des SSC Schwerin dabei, die Spielerinnen des SC Potsdam ebenfalls mit 3:1 zu besiegen.

„Ich bin stolz auf dieses junge Team, wie es diese Situation gemeistert hat. Das war ein großer Schritt in der Entwicklung der Mannschaft. Nehemiah Mote war einer der überragenden Akteure heute, aber alle haben ihren Job gemacht“, sagte Enard. Nach einem fehlerbehafteten ersten Satz, in dem die BR Volleys ihre Nervosität nicht in den Griff bekommen hatten, zogen sie ab dem zweiten Durchgang ihr dominantes Spiel auf und erzeugten mit ihren Aufschlägen einen Dauerdruck, dem Düren nur noch wenig entgegensetzen konnte.

Manager Kaweh Niroomand, der eine Bierdusche in der Kabine hinter sich hatte, saß unweit von XXtra Wurst auf einer blauen Ledergarnitur. Er sah während der vielen kleinen Feiermomente mit Autogrammen, Selfies und neu gefüllten Bierbechern das große Ganze und fand: „Das heute war eine Illustration, wie die BR Volleys diese Saison spielen.“

Anders als im vorigen Jahr. Und in dem davor. Die Mannschaft hat einen neuen Weg eingeschlagen, nachdem Weltklasse-Spieler und Persönlichkeiten wie Sergej Grankin, Benjamin Patch, Santiago Danani, Jeff Jendryk und Samuel Tuia das Team verließen. „Wir haben im Sommer viele wichtige Spieler verloren und es ist einfach großartig, wie diese Mannschaft sich neu gefunden und das kompensiert hat. Früher glich unsere Hierarchie einem Weihnachtsbaum. Jetzt macht die flache Hierarchie dieses Team stark. Jeder wächst in seine Verantwortung rein“, sagte Niroomand.

Diagonalangreifer Sotola zum Beispiel, der nicht nur beim Schmettern, sondern auch im Block und beim Aufschlag immer für Gefahr sorgen kann, „ist jetzt ein richtiger Killer geworden“. Ruben Schott, der das Team nach der Handverletzung von Angel Trinidad als Kapitän anführt, „übernimmt jetzt mehr Verantwortung“. Außerdem habe Tim Carlé verstanden, dass man nach Schwächephasen zurückkommen kann. „Vor einem Jahr wäre er nach so einem missratenen ersten Satz komplett raus gewesen“, meint Niroomand.

Den Weggang der von Grankin und Co. hat demnach jeder Einzelne im Team als Chance verstanden, vielleicht sogar als Aufforderung genutzt, sich zu entwickeln. Es ist ja keiner mehr da, hinter dessen Klasse, Routine oder Führungsanspruch sich jüngere Spieler verstecken könnten. „Letztes Jahr hatten wir zwei absolute Granaten im Team. Dieses Jahr ist es eine absolute Teamleistung“, bestätigte Mittelblocker Brehme.

Im goldenen Lamettaregen bekamen die Spielerinnen aus Schwerin und die Volleyballer aus Berlin die Trophäen für den Pokalsieg überreicht. Kapitän und Zuspieler Trinidad nahm das glitzernde Stück für die BR Volleys entgegen. Nach seinem Handbruch ist er noch im Formaufbau. Sein Stellvertreter Tille wurde als „Mann des Finales“ ausgezeichnet. Er habe noch nie in einer Mannschaft gespielt, die so sehr als Team funktioniert, sagte Trinidad. „Als ich ausfiel, hat mich Johannes ersetzt, als sich Saso Stalekar verletzte, hat Nehemiah Mote im Finale aufgetrumpft. Wenn Cody gebraucht wird, liefert er. Bei uns ist jeder wichtig.“ Die Hierarchie des Weihnachtsbaums hat wirklich erst mal ausgedient.