Es ist immer wieder angenehm, wenn deutsche Fußballerinnen sich vor Kameras und Mikrofone postieren, um ihre Kommentare abzugeben. Auch wenn das Gedränge an den Absperrgittern gerade mit jedem Spiel dieser Frauen-EM größer wird, denken die Protagonisten nicht im Entferntesten daran, vorgestanzte Worthülsen von sich zu geben. Eine besonders authentische Akteurin ist Lena Oberdorf. Eine der Jüngsten. Aber längst die Beste. Ihre Mitspielerin Lina Magull hat sie in der provisorischen Mixed Zone von Brentford unter freiem Himmel einfach mal eine „geile Maschine“ genannt, was kein bisschen gemein war. Im Gegenteil. Die Mittelfeldspielerin wollte einfach nur unendlich viele Komplimente an diejenige loswerden, die auch im Halbfinale gegen Frankreich eine der besten deutschen Spielerinnen war.
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg überschlug sich jüngst fast in Lobeshymnen für die 30-fache Nationalspielerin, die längst zum kraftvollen Herzstück des Rekord-Europameisters geworden ist. Ihre rustikalen Grätschen, ihre enorme Physis, ihre strategische Veranlagung machen „Obi“, so ihr Spitzname, zu einer der weltbesten Spielerinnen auf der Sechser-Position.
Beim VfL Wolfsburg ist man heilfroh, den Vertrag vor Turnierstart bis 2025 ausgedehnt zu haben. Doch bevor irgendwann vielleicht sogar eine Rekordablöse fließt, schätzt Oberdorf „das familiäre Verhältnis, das man in Wolfsburg hat“. Ein ganz enges Verhältnis hat Oberdorf zu ihrem fünf Jahre älteren Bruder Tim, der sich diese Saison einen Stammplatz beim Zweitligisten Fortuna Düsseldorf erkämpfen möchte.
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Ihr privates Band in den Profifußball der Männer erklärt auch, warum sie selbst häufig Parallelen zieht. Für ihre Zweikampfführung, erklärte sie grinsend, habe sie mit ihrem Bruder früher gerne YouTube-Videos von Sergio Ramos mit dessen Grätschen geschaut. Heute würde sie sich eher an den strategischen Fähigkeiten eines Sergio Busquets orientieren und sich gerne mal mit Joshua Kimmich austauschen: „Weil der auch diese Emotionen verkörpert, niemals aufgibt.“
Eine Bindungskraft fürs große Ganze besitzen beide. Zuerst aber können sich die DFB-Frauen am Sonntag einen Titeltraum erfüllen, den die Ankerspielerin Oberdorf für durchaus möglich hält: „Wenn wir so spielen, muss uns erst mal jemand schlagen. Wir werden alles reinwerfen und dann hoffentlich mit dem Pokal nach Hause fahren“, sagte sie nach dem Sieg gegen Frankreich genauso authentisch wie immer.