Berlin-Joachim Löw hat die Hände lässig in die Taschen seiner schwarzen Anzughose gesteckt, als er sich beim Sponsorentermin vor der Dresdner Frauenkirche präsentiert. Doch das Bild vom coolen Bundestrainer täuscht. Löw beschleicht „ein mulmiges Gefühl“, wenn er an das nächste Auswärtsländerspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft am 10. Oktober in der Ukraine denkt. Und er ist damit nicht allein, die Nations-League-Begegnung im Corona-Risikogebiet wird immer mehr zum Politikum.
Die betroffenen Fußballbundesligisten um Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig erwägen, ihren Spielern die Freigabe für das Risikospiel zu verweigern. „Wir arbeiten an Lösungen, behalten uns aber vor, die Spieler nicht abzustellen, sofern es keine Regel gibt, die es ermöglicht, sie anschließend sofort wieder einzusetzen“, sagte BVB-Lizenzspieler-Chef Sebastian Kehl dem Magazin „Kicker“.
Das Thema beschäftige die Klubs „extrem“, sagte Kehl. Die DFB-Auswahl ohne Münchner Bayern, ohne BVB-Profis? Undenkbar! Doch der Weltverband Fifa hatte vor den Länderspielen im September darüber informiert, dass für Spieler, die in Städten antreten sollen, die mit Reisebeschränkungen bedacht sind, keine Abstellungspflicht bestehe. Ob diese Vorgabe auch für den Oktober gilt, ist offen. Es gebe noch „kein Update“, ließ die Fifa wissen. Sollte die Regelung bestehen bleiben, wäre die Abstellung der Nationalspieler für das Ukraine-Spiel freiwillig.
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Joachim Löw kämpft mit DFB-Direktor Oliver Bierhoff seit Tagen darum, ein Fehlen seiner Topleute zu verhindern. Es würden „alle Maßnahmen so getroffen, dass man davon ausgehen kann, dass wir keinem besonderen Risiko ausgesetzt sind“, sagte Löw. Er werde alles tun, damit die Spieler „auch wieder gesund zurückkommen“, versprach er. Bierhoff warb bei den Klubs um Vertrauen. „Ich finde, dass die Länderspielphase im September gezeigt hat, dass auch unser Hygienekonzept sehr gut greift“, sagte er. „Die Vereine wissen, dass wir besondere Sorgfalt an den Tag legen.“
Löw will in der kommenden Woche einen größeren Kader nominieren als üblich. Während ein Teil der Mannschaft im Quartier in Köln bleiben könnte, würde er nur mit einer Rumpftruppe nach Kiew fliegen. Angesichts der beiden weiteren Länderspiele jeweils in der rheinischen Metropole gegen die Türkei (7.10.) und die Schweiz (13.10./Nations League) ließe sich so auch die Belastung besser steuern.
In Absprache mit Teamarzt Tim Meyer wurde zudem festgelegt, dass die Ukraine-Reise zu einem nicht einmal 36-stündigen Blitzbesuch wird, bei dem der Kontakt zur Außenwelt – wie im September bei den Partien gegen Spanien in Stuttgart und in Basel gegen die Schweiz – abgesehen vom Spiel vermieden werden soll. „Wir werden uns vor Ort weiter im geschützten Kreis bewegen“, versprach Bierhoff.
Zugleich hofft der DFB auf Heimspiele vor 9000 Zuschauern in Köln. „Grundsätzlich würden wir gerne wieder vor unseren Fans spielen“, sagte Bierhoff, wohl wissend, „dass aktuell wieder erhöhte Vorsicht geboten ist, und über allem steht natürlich die Gesundheit.“
Allerdings wurden die Hoffnungen auf die Zuschauerrückkehr dadurch gedämpft, dass der Bundesligist 1. FC Köln am vergangenen Sonnabend gegen die TSG Hoffenheim ohne Zuschauer in die Saison hatte starten müssen. Schon in Stuttgart war der DFB mit dem Vorhaben gescheitert, zumindest 500 ausgewählte Angestellte aus dem Gesundheitswesen zuzulassen.
Wie damals müssen nun die lokalen Gesundheitsbehörden ebenso zustimmen wie die Uefa. Doch die hat schon mit ihrem Supercup in Budapest für erheblichen Unmut gesorgt.