DFB-Präsident Neuendorf fordert mehr Unterstützung durch die Politik

Bernd Neuendorf will die Lobbyarbeit für die EM 2024 in Deutschland verstärken und von Fifa-Präsident Gianni Infantino Antworten auf drängende Fragen.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat beim Bundeskanzler mehr als die bisher versprochenen 19 Millionen Euro für die EM 2024 in Deutschland angemahnt.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat beim Bundeskanzler mehr als die bisher versprochenen 19 Millionen Euro für die EM 2024 in Deutschland angemahnt.Sebastian Gollnow/dpa

Wenn Bernd Neuendorf dieser Tage bei Sonntagsspaziergängen an Fußballplätzen vorbeiläuft und dort reges Treiben registriert, erfüllt das den 61-Jährigen mit Zufriedenheit. Dann wird ihm klar: „Dafür mache ich den Job.“ Ein Jahr nach seiner Wahl zum DFB-Präsidenten am 11. März 2022 sitzt der Rheinländer im DFB-Campus an einem langen Tischende, die Brille charakteristisch auf die Stirn geschoben, und referiert über das Erlebte im hohen Amt des ersten Mannes im Fußballland. Es ist ihm beileibe nicht nur Gutes widerfahren. Neuendorf war eines der Gesichter der intensiven Debatten um die „One Love“-Binde bei der WM in Katar, die Deutschland wenig Gutes bescherte. Weder sportlich noch sportpolitisch.

Finanziell steht es nicht gut um den DFB

Und auch finanziell steht es alles andere als gut um den Deutschen Fußball-Bund. Dafür kann Neuendorf nichts, das ist das schwere Erbe, das er angetreten ist im neuen Frankfurter Campus, der 15 Mal so groß ist wie die alte Geschäftsstelle in der Otto-Fleck-Schneise und entsprechend viel Kapital im Unterhalt verschlingt.

Schatzmeister Stephan Grunwald assistierte seinem Verbandschef Neuendorf beim Jahresrückblick und stellte nüchtern fest: 2023 wird der DFB 19 Millionen Euro mehr ausgeben, als er einnimmt. „Der größte Sportfachverband der Welt kann so nicht weitermachen, weil er sonst in zehn Jahren nicht mehr existieren würde“, erklärte Grunwald mit unverstelltem Blick in die Zukunft.

Es muss also gespart werden. Der Hüter der Finanzen hat deshalb mit den Kollegen im Präsidium diskutiert, ob es nicht angesagt sein könnte, auch mit der A-Nationalmannschaft auf die Unterbringung in teuren Herbergen zu verzichten und die ein wenig karger eingerichteten 33 Übernachtungszimmer auf dem Campus zu nutzen. Dazu kommt es freilich übernächste Woche noch nicht. Dann nächtigt das Team von Bundestrainer Hansi Flick vor den Länderspielen gegen Peru und Belgien erstmals im 2021 fertiggestellten Melia-Hotel (vier Sterne) nahe der Frankfurter Messe. Nicht ganz so bescheiden wie im Internat auf dem eigenen Campus, aber auch nicht so feudal wie einst in der Villa Kennedy oder zuletzt im noblen Kempinski Gravenbruch.

Es ist ein Weg der Mitte – und somit ziemlich genau der Pfad, auf dem Bernd Neuendorf unterwegs ist. Er kann mit Recht behaupten, dass die zuvor miese Stimmung im Verband befriedet worden ist, seit er da ist. Ränke und Zänke der Führungspersonen gehören bis auf weiteres der Vergangenheit an, auch im Verhältnis zur Bundesliga, das in der Vergangenheit mit „mies“ noch freundlich beschrieben war.

Neuendorf wies darauf hin, wo er den Schwerpunkt seiner Arbeit ausmacht: Es sei das „Kerngeschäft, dass wir keine Vereine, Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen und Spieler und Spielerinnen mehr verlieren“. Und: „All das, wovon wir träumen, dass wir eine große Fußballnation bleiben, hängt mit dem Fußball von der Graswurzel bis zur Spitze zusammen.“

Auf eine Festigung des gesellschaftlichen Klebstoffes hofft Neuendorf auch bei der Europameisterschaft im Sommer 2024 im eigenen Land. Derzeit erkennt er noch Defizite. Er habe beim Bundeskanzler angemahnt, dass dafür mehr als die derzeit zugesagten 19 Millionen Euro fließen müssten. Noch könne er sich des Gefühls nicht erwehren, dass das Commitment der Politik vorm Sommermärchen 2006 größer gewesen sei, weil man erkannt habe, „welche große Bedeutung so ein Turnier für Deutschland hat“. Der Verbandschef hofft, gemeinsam mit Turnierdirektor Philipp Lahm die Chance zu bekommen, sowohl vor dem Bundeskabinett als auch den Ministerpräsidenten Lobbyarbeit für die Euro 2024 betreiben zu dürfen. Es sei eine Chance weit über den Fußball hinaus, Deutschland auch als Wirtschaftsstandort und Land der Kultur und Kunst zu präsentieren.

Stimmt der DFB für Gianni Infantino ab?

Kommende Woche düst Neuendorf in Ruandas Hauptstadt Kigali, wo Fifa-Präsident Gianni Infantino am 16. März zur als sicher geltenden Wiederwahl antritt. Ob der Schweizer bei der zu erwartenden Akklamation (Wahl per Beifall) auch die Klatschhände von Neuendorf zur Unterstützung erwarten darf? Neuendorf weicht einer deutlichen Antwort aus, sagt aber auch: „Es ist leider noch immer so, dass wir von der Fifa keine befriedigenden Antworten auf ganz einfache Fragen bekommen.“

Wie zum Beispiel jene Frage, ob es stimmt, dass der Weltverband für die Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland tatsächlich beabsichtige, dass Saudi-Arabien als Sponsor bei dem Turnier auftritt. Neuendorf fragt rhetorisch: „Ist das die Transparenz, die man erwarten kann?“ Er finde „den Umgang eher problematisch“. Wenn der DFB „nicht noch Rückmeldungen auf unsere Fragen kriegt“, würde es „schwer, Infantino zu unterstützen“. Man darf gespannt sein, was in Kigali passiert.