Die gute Bilanz des DOSB verdeckt die Schwachstellen nicht

„Funktionale Spiele“: Der Deutsche Olympische Sportbund zieht eine positive Olympiabilanz. Doch eine Entwicklung bereitet den Funktionären Sorgen.

Dabeisein ist alles: Claudia Pechstein feiert sich selbst.
Dabeisein ist alles: Claudia Pechstein feiert sich selbst.Imago

Peking - Von den sportlichen Wettkämpfen dieser Winterspiele in Peking hat sich Deutschlands Eröffnungsfeier-Fahnenträgerin Claudia Pechstein mit einem Bauchklatscher aufs Eis verabschiedet. Das Bild, das die Berliner Eisschnellläuferin wenige Tage vor ihrem 50. Geburtstag dabei in Chinas Nationalem Speedskating Oval  abgab, hatte etwas von einem schlitternden Pinguin. Ganz putzig. Aber für die internationale Fernsehbildregie irrelevant. Denn mit dem Ausgang des Massenstart-Rennens hatte Pechstein als Neunte mit drei aus einer Zwischensprintwertung ergatterten Punkten nichts zu tun. Im Finale hing sie, wie es der ARD-Reporter kommentierte, am schnellen Feld „noch so latent hinten dran“.

So wie Pechstein ging es auch den anderen Athleten der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft. Daher hatte die Wahl von Bob-Anschieber Thorsten Margis zum Fahnenträger der olympischen Schlussfeier vielleicht auch Symbolkraft für den deutschen Spitzensport: Es bedarf eines Schubs, um ihn für zukünftige Sommer- wie Winterspiele umfassender fit zu machen. Der Blick auf den Medaillenspiegel der Peking-Spiele mit 27 Plaketten (12 Gold/10 Silber/5 Bronze) und Platz zwei hinter Norwegen (37) und vor Gastgeber China (15) stimmte den Deutschen Olympischen Sportbund zufrieden, verdeckte aber einen Makel nicht: Nur zwei Fachverbände lieferten die Medaillen.

Dominanz des deutschen Bob- und Schlittenverbandes

„Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt und gehören zu den drei besten Wintersportnationen“, bilanzierte Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig. „Sicherlich sind wir weniger breit aufgestellt als vor vier Jahren, als sich fünf Verbände an der Medaillenbilanz beteiligen konnten.“ 31 Medaillen brachten die deutschen Olympioniken aus Südkorea mit, 2014 in Sotschi waren es nur 19.

Größten Anteil am deutschen Erfolg hatten in diesem Jahr die Rodler, Skeletonpiloten und Bobfahrer, die im Eiskanal von Yanqing 16 Mal auf dem Siegerpodest standen – neunmal auf Platz eins. „Diese Dominanz haben wir von den Athleten des Deutschen Bob- und Schlittenverbandes nicht erwartet“, sagte Schimmelpfennig.

Leistungsgefälle zwischen den Verbänden

Elf weitere Gold-, Silber- und Bronzemedaillen sind den Athleten des Deutschen Skiverbandes zu verdanken. Wenige Stunden vor dem Ende der Spiele verhinderten die alpinen Skiläufer am Sonntag mit der Silbermedaille im Team noch einen Abschied ohne Medaillen wie 2018.

Daher macht das Leistungsgefälle zwischen den Verbänden und ihren Sportarten dem DOSB Sorgen. Zumal die Spitzensportreform in Peking erstmals mehr Ertrag bringen sollte. Stattdessen zeigte sich, dass eine zu große Zahl von Sportarten nicht mehr zur Weltspitze zählt: Dazu gehören neben Eisschnell- und Eiskunstlauf auch Curling und Shorttrack. Enttäuschend war zudem das frühe Aus der Eishockey-Männer (10. Rang). Das Frauenteam qualifizierte sich gar nicht.

DOSB-Sportchef Schimmelpfennig fordert eine Grundsatzdebatte darüber, welchen Leistungssport man generell in Zukunft in Deutschland haben wolle: „Ob wir die Vielfalt weiter fördern oder gezielter einzelne Sportarten fördern wollen.“

Ohne die Kufen-Asse im Eiskanal und die Athleten in der Loipe, am Schießstand und auf der Schanze wären die Sorgen nach Peking größer. Wie schnell es bergab gehen kann, erlebte Deutschland bei den Sommerspielen 2021 in Tokio, als mit 37 Medaillen und Rang neun die schlechteste Erfolgsbilanz seit der Wiedervereinigung zu Buche stand.

Deshalb gilt es, Sportarten wie den Eisschnelllauf auf Erfolgskurs zu bringen, in dessen Bereich 69 olympische Medaillen vergeben werden. „Daher ist es wichtig, sich das strategische und inhaltliche Programm des Verbandes anzuschauen“, sagte Schimmelpfennig. Für ihn ist das kein Projekt bis zu den nächsten Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo, sondern eher eines für 2030.

Was beharrliche Entwicklungsarbeit bewirken kann, bewiesen die Freestyler. Im Skicross gewann Daniela Maier unverhofft die erste (bronzene) Olympia-Medaille im hippen Sportartensegment. Auch die Aufbauarbeit im Skeleton zahlte sich aus: Hannah Neise und Christopher Grotheer gewannen jeweils Gold. Zu den Überraschungen zählten die Olympiasiege von Biathletin Denise Herrmann, dem Nordischen Kombinierer Vinzenz Geiger sowie im Teamsprint der Langläuferinnen mit Katharina Hennig und Victoria Carl.

Das Flair und die Zuschauer haben gefehlt

Zur Bilanz der Spiele in China gehört ebenso eine sportpolitische Einordnung. „Das waren funktionale Spiele; das Flair und die Zuschauer haben gefehlt“, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert auch bezogen auf die Corona-Beschränkungen im abgeriegelten Olympia-Sperrgebiet. „Das möchten wir nicht mehr haben.“

Deshalb freut es ihn, dass nicht nur die Winterspiele 2026 in die italienischen Alpen und damit nach Europa zurückkehren. „Die Zukunft der Olympischen Spiele sieht hoffnungsfroh aus, weil die nächsten Spiele in demokratische Länder vergeben sind“, sagte Weikert. Nämlich für den Sommer nach Paris 2024, Los Angeles 2028 und Brisbane 2032. Diese Reihe der Olympia-Städte würde der DOSB gerne mit einer Bewerbung ergänzen.