Ecclestone über Vettel: „Eigentlich müsste er also vorne sein“
Der frühere Geschäftsführer sieht die Probleme des Deutschen im Ferrari nicht in dessen Talent, sondern spricht von anderen Gründen.

Berlin-Seine diebische Freude am Zündeln hat Bernie Ecclestone auch im hohen Alter nicht verloren. Und so formulierte der langjährige Formel-1-Patron genüsslich eine Handvoll Sätze, die bei den größten Fans von Sebastian Vettel für Applaus und bei Ecclestones Hassliebe Ferrari für ein weiteres Störfeuer sorgen dürften. „Ein Riesentalent“ sei Vettels Teamkollege Charles Leclerc, setzte der Brite, der am Mittwoch seinen 90. Geburtstag feierte, im Interview mit sport1.de an, aber: „Das war Sebastian Vettel auch, er ist es immer noch. Und er hat mehr Erfahrung. Eigentlich müsste er also vorne sein. Da er das aber nicht ist, muss es andere Gründe geben.“
Andere Gründe? Verschwörerisch fügte Ecclestone hinzu: „Ferrari war schon immer ein wenig durchschaubares Team, wo die Innenpolitik immer eine große Rolle spielte. Eigentlich zogen nur zur Zeit von Michael Schumacher dort immer alle an einem Strang.“ Eine auf den ersten Blick plausible Erklärung für das unerklärlich schlechte Jahr eines viermaligen Formel-1-Weltmeisters und 53-maligen Grand-Prix-Siegers. Doch schneidet sich Ferrari wirklich mit Kalkül ins eigene Fleisch und torpediert damit ein besseres Abschneiden in der Konstrukteurs-WM? Es fällt schwer zu glauben.
Vettel selbst ist allerdings ins Grübeln geraten, wieso bei ihm so viel weniger zusammenläuft als bei Leclerc, der ihm in der WM mit 75:18 Punkten weit voraus ist. „Ich sehe gar kein Land gegen Charles“, haderte Vettel am vergangenen Wochenende in Portimao. „Das ist ja nicht nur, geschlagen zu werden, das ist eine andere Klasse. Selbst die Runden, die ich treffe, sind noch zu langsam.“
Der SF1000 ist ein fast schon denkwürdig schlechter Rennwagen – zumindest nach Ferrari-Maßstäben –, doch der 23-jährige Leclerc holt mehr oder weniger an jedem Wochenende das Maximum heraus. Anders Vettel, der aufgrund seiner Demission zum Jahresende und angesichts seines feststehenden Wechsels zu Aston Martin 2021 nicht mehr den allerletzten Biss zeigt. Sein komplettes Talent hat einer der erfolgreichsten Fahrer der Formel-1-Geschichte aber gewiss nicht verloren. „Die Autos von Seb und Charles sind zweifellos identisch“, schleuderte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto am Mikrofon von Sky Italia den Verschwörungstheoretikern entgegen.
Vettel erklärte am Sonntag nach Platz zehn beim Großen Preis von Portugal nebulös: „Ich muss glauben, dass wir das gleiche Auto haben, und ich vertraue den Leuten in meiner Garage.“ Allerdings habe er „echte Schwierigkeiten damit, gute Runden zusammenzukriegen, konstant zu sein und den Grip zu spüren, den Charles offensichtlich spürt“.
Im Kern liegt Vettels Problem im Qualifying. Im Schnitt ging der Hesse in dieser Saison nur von Startplatz zwölf ins Rennen, ganze zweimal erreichte der 57-malige Pole-Setter den dritten Qualifying-Abschnitt – beim dritten Italien-Rennen der Saison in Imola (Sonntag, 13.10 Uhr/RTL und Sky) kann Vettel eigentlich nur positiv überraschen.