Berlin-Patrick Hausding hockt auf seinem Zimmer, das er nicht verlassen darf. Er blickt aus dem Fenster, das er nicht öffnen kann. „Ich erkenne die Skyline, aber das ist wohl auch das Einzige, was ich von Tokio sehen werde“, sagt der Rekord-Europameister. Bei der Qualifikation bekommen die deutschen Wasserspringer gerade einen Vorgeschmack auf das, was die Athleten bei Olympia in knapp drei Monaten erwartet: sterile Spiele, ultrastrenge Regeln und ein stark eingeschränkter Datenschutz.
„Das alles trübt ein bisschen die Vorfreude, das ist eine ganz schöne Einkerkerung“, sagte Hausding unmittelbar nach der Ankunft: „Ich will das eigentlich nur so schnell wie möglich über die Runden bringen.“ Der Wohlfühlfaktor war schon bei der Ankunft am Flughafen nahe null gesunken.
Jeden Tag Mail oder Anruf zum Gesundheitszustand
Insgesamt drei Stunden dauerte die Abfertigung der rund 50 Flugpassagiere, die Japaner nahmen es mit den Ankömmlingen aus Europa ganz genau. An verschiedenen Stationen mussten immer wieder Dokumente ausgefüllt werden, dazwischen gab es einen Speichel- und Identitätstest. Außerdem mussten Hausding und Co. ihre Telefonnummern und E-Mail-Adressen registrieren und verifizieren.
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„Wir dürfen die Ortungsdienste niemals ausschalten“, verriet Hausding. Jeden Tag müssen die Wasserspringer zwischen 11 und 14 Uhr auf eine E-Mail zu ihrem Gesundheitszustand antworten, auch Anrufe sind möglich. „Mit Datenschutz ist hier nicht viel“, meint der Olympia-Dritte vom Dreimeterbrett von 2016. Kaum auszumalen, was alles noch unternommen wird, wenn bald nicht nur ein paar Hundert Wasserspringer, sondern Tausende Sportler, Trainer und Betreuer nach Japan reisen. „Das will ich lieber nicht wissen“, meint Hausding.
Die Organisatoren hatten zuletzt neue und verschärfte Verhaltensregeln veröffentlicht. Sie besagen unter anderem, dass ein strikter und im Vorfeld vorgegebener Tagesablauf von den Teilnehmern eingehalten werden muss. Das Olympische Dorf verliert seinen ganz speziellen Flair: Anderen Sportlern dürfen die Athleten nicht näher als einen Meter kommen. Das Nutzen anderer Transportmittel als den offiziellen Olympia-Shuttles ist verboten. Auswärts essen ist ebenfalls untersagt.
Neu ist auch die Ankündigung von täglichen Covid-19-Tests statt nur alle vier Tage. Damit sollen nicht nur die Athleten selbst, sondern auch das japanische Volk geschützt werden, wie IOC-Präsident Thomas Bach betonte. Japan hat seit Wochen zwar steigende, im Vergleich zu Europa aber weiter sehr niedrige Inzidenzzahlen, was vor allem in der Abschottung der Insel nach Außen begründet ist. Für das Event muss sich das Land öffnen – und das ist ein Grund für die große Olympia-Ablehnung in der Bevölkerung. Eine Entscheidung über die Zulassung von einheimischen Zuschauern soll erst im Juni erfolgen.
Zulassung von Zuschauern in Tokio noch unsicher
„Es könnte sich eine Situation ergeben, in der wir keine Zuschauer zulassen können“, sagte Tokios Olympiachefin Seiko Hashimoto im Gespräch mit der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Spiele würden trotzdem zeigen, „dass die Welt zusammenkommen kann, egal wie schwer die Zeiten sind. Ich glaube, dies ist eine Zeit, in der wir zeigen können, dass wir vereint sind“.