Eisbären Berlin: Gegen die Welle

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Markus Flemming atmet schwer. Vielleicht, weil er die schwere Torhüterausrüstung trägt, vielleicht, weil das Training zuvor anstrengend war. Flemming stand eine knappe Stunde auf dem Eis des Wellblechpalasts, er half bei der Übungseinheit der Eisbären Berlin als Torhüter aus, um Stammkeeper Rob Zepp eine Pause zu verschaffen.

Flemming weiß, was er tut, er war früher selbst Eishockey-Goalie. Doch schon seit einigen Jahren übt er seine eigentliche Profession vor und nach dem Training der Berliner aus: Flemming ist Sportpsychologe. Der 44-Jährige ist dann zur Stelle, wenn die Eisbären-Profis mentale Hilfe brauchen. Wie man etwa bei Auswärtsspielen agiert, wenn über 13.000 Zuschauer pfeifen, der Druck von Minute zu Minute größer wird.

So wie an diesem Mittwochabend, wenn die Eisbären im zweiten Playoff-Finalspiel bei den Adlern aus Mannheim gastieren (19.30 Uhr, Sky). Eine Partie, in der den Berlinern über die gesamte Spielzeit erfahrungsgemäß eine höchst aggressive Stimmung entgegenschlagen wird, in dem die Mannschaft bereit sein muss, „diesem Druck standzuhalten“, wie Eisbären-Manager Peter John Lee sagt.

„Ich kenne es noch aus meiner aktiven Zeit: Zu Hause hast du vor allem zu Beginn viel mehr Energie, da spielst du wie ein Weltmeister. Du glaubst, du kannst jeden bezwingen.“ Auch Verteidiger Frank Hördler erwartet eine Mannheimer Equipe, die anders als noch im ersten Aufeinandertreffen „mit mehr Offensivdrang auftreten wird. Die werden marschieren.“

Doch wie ist man bereit für solch feindselige Stimmung, wie sie zwischen den beiden rivalisierenden Topvereinen Tradition hat? Und wie schieben die Eisbären vor dem heutigen Spiel jene wenig Mut machende Statistik zur Seite, dass in der Auseinandersetzung Eisbären gegen Adler in dieser Saison bisher immer das Heimteam das Eis als Sieger verließ?

Ruhiges, einfaches Eishockey

Weil die Psyche in diesem Fall eine große Rolle spielt, wie Flemming sagt, setzen die Eisbären auf ihre mentale Stärke. Sie soll vor allem dabei helfen, sich nicht von der zu erwartenden Druckwelle der Mannheimer und den Anfeindungen der gegnerischen Fans beeindrucken zu lassen.

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Dieses positive Denken haben Flemming und die Eisbären-Trainer den Spielern über einen langen Zeitraum eingeimpft, doch so kurz vor den Partien kommt es zuallererst auf den Willen der Spieler selbst an. „Dass sie es schaffen, den Schalter von Heimspiel zu Auswärtsspiel umzulegen“, sagt Flemming.

Der Umgang mit den Zuschauern sei dann nämlich ein anderer. In den Heimspielen sei es so, dass die Profis die Emotionen, die von den Fans abgegeben werden, aufnehmen sollen. „Den Weg zum Sieg gemeinsam gehen“, sagt Flemming. Auswärts allerdings solle es Spaß machen, gegen die Kulisse zu spielen. „Du musst sie ärgern wollen.“

Der Druck auf das Gastteam ist größer

Hördler beispielsweise kennt das Gefühl, gegen eine aufgebrachte Mannheimer Kulisse anspielen zu müssen, ganz genau. Er ist der mit Abstand unbeliebteste Eisbären-Spieler in der Kurpfalz, seit er 2009 in einem TV-Interview während der Drittelpause einer Halbfinalpartie die Adler-Mannschaft mehrfach mit einem unschönen Schimpfwort bedachte. Hördler findet, dass „allgemein gesehen der Druck auf das Gastteam viel größer ist. Es kann passieren, dass du nervöser wirst, weil du merkst: Da ist irgendwas im Gange.“

Dass er und seine Kollegen in den vergangenen Jahren im Hinblick auf solche Situationen viele Erfahrungswerte sammeln konnten, hilft ihnen dabei, dass sie sich in der Gegenwart davon nicht beeinflussen lassen. Wann immer es kritische Phasen zu überstehen gilt, wirken die Eisbären mental gestählt, weil sie wissen, wie sie in welchem Moment richtig zu handeln haben.

„Niemand von den älteren Spielern lässt sich da mehr überraschen“, sagt Flemming. Die Folgen wären ja auch verheerend: Es käme zu Stressreaktionen, zu überhasteten Entscheidungen und schlussendlich zu Fehlern, die im ungünstigsten Fall zu Gegentoren führten.

Geht es nach Hördler, sollte es sowieso das Ziel sein, erst gar nicht in Situationen zu kommen, die mentale Stärke erfordern. Deshalb betont er vor dem zweiten Finale, dass man ruhiges, einfaches Eishockey spielen müsse. Und gelänge ihnen der Auswärtssieg, hätten sie zudem jene Heim-Serie geknackt, die beide Teams in dieser Saison scheinbar verfolgt. Ein Fall, der die Psyche noch einmal stärken könnte.