Emanuel Pogatetz neu beim 1. FC Union: "Ja, du bist jetzt auch ein Unioner, wir duzen uns alle"
Er spielt Männerfußball. Das ist hier im Trainingslager des 1. FC Union bei jeder Übungseinheit zu beobachten. Keine Angst, volle Konzentration, enorme Präsenz. Emanuel Pogatetz, der am Sonnabend 33 Jahre alt wird, könnte für das Team von Trainer Sascha Lewandowski, das deutet er hier in Oliva Nova an, tatsächlich die erhoffte Verstärkung sein. Auch im Gespräch erweist sich der Österreicher als absoluter Profi, und das nicht, weil er mit den handelsüblichen Antworten zu Werke geht.
Herr Pogatetz, haben Sie das Nomadenleben, das Sie in den vergangenen Jahren gelebt haben, nicht langsam satt? Immer wieder ankommen, immer wieder einfügen in eine neue Gemeinschaft?
Ja, so ein Leben ist natürlich etwas anstrengend. Deshalb wäre es schon toll, wenn ich etwas länger in Berlin bleiben könnte. Wenn das über den Sommer hinaus klappen könnte.
Zwölf Vereine in fünfzehn Jahren – die eine oder andere Erfahrung hätten Sie sich also gerne erspart.
Es war ja auch immer unbeabsichtigt, dass ich weitergezogen bin. In Middlesbrough war ich ja die längste Zeit, fünf Jahre lang. Schon da hätte ich mir es vorstellen können, für immer zu bleiben. Weil das schon irgendwie wie mein zweiter Heimatverein war. Aber dann mit dem Abstieg war es sportlich schwierig – auch wegen der Nationalmannschaft.
Was war denn das Besondere an Middlesbrough? Von allen Seiten anerkannt zu werden? Vom Trainer, von den Fans, die Sie aufgrund Ihrer – sagen wir mal – energischen Spielweise „Mad Dog“ getauft haben.
Das war das, was man sich als Profi nur wünschen kann. Ein Traum. Es hat alles gepasst. Ich war sogar Kapitän der Mannschaft. Die Fans mochten mich sehr. Und ich konnte mich auch mit der Region und dem Verein sehr gut identifizieren. Das hat super Spaß gemacht. Danach hat es zwar sportlich auch oft gepasst. Aber ich wollte auch noch weiterkommen. Wenn man 27, 28 ist, denkt man sich natürlich: Was will ich noch erreichen?
Was in Ihrer Karriere letztlich fehlt, ist die Erfahrung Champions League.
Ja, das stimmt. Mit Middlesbrough war ich im Uefa-Cup-Finale, das wir leider 0:4 gegen den FC Sevilla verloren haben. Und mit Wolfsburg dachte ich, dass man das schaffen kann, und jetzt spielen sie ja auch Champions League, aber ich bin halt nicht mehr da.
Sie und Ihre Frau sind ja mit einer enormen Vorfreude in die USA gegangen. Es gab ja sogar die Überlegung, den Rest des Lebens dort zu verbringen.
Wir hatten uns das einfach anders vorgestellt, wohl auch, weil wir im Urlaub zuvor vorwiegend in den großen Städten waren. Aber die USA ist viel Land, sehr viel Land sogar. Wir sind halt so Leute, die gern in ein Restaurant oder ein Café gehen, die gern öffentliche Verkehrsmittel statt das Auto nehmen. So wie in Wien zum Beispiel. Das war in Columbus ein bisschen schwierig. Und eine Sache ist mir besonders aufgefallen: Dort ist alles Quantität, hier in Europa alles Qualität. Wenn etwas kaputt ist, wirft man es in den USA einfach weg, kauft etwas Neues. Es war ein interessantes Jahr, aber ich war nicht an einem Punkt, wo ich dachte, das spulst du jetzt mal drei oder vier Jahre runter und dann hörst du auf.
Wien bedeutet also Heimat für Sie?
Ja, das stimmt. Wenn man viel herumkommt, merkt man halt erst, wie schön es zu Hause ist. Das Erste was ich übrigens gemacht habe, als ich wieder nach Hause gekommen bin, war, dass ich mir ein Leitungswasser runtergelassen habe. Das ist in Amerika ja nicht möglich, da braucht man immer diese Plastikflaschen.
Der Fußball in den USA hat aber Ihren Vorstellungen entsprochen?
Am Anfang war alles aufregend. Und was mir sehr gut gefallen hat, war diese athletische Komponente, die Fitnessarbeit. Die Philosophie ist da wirklich auf höchstem Level, da kann man sich viel abschauen. Aber die Liga ist erst noch in der Entwicklung.
Und dann gab es da diesen Facebook-Eintrag, in dem Sie sich über die Spielweise Ihres Teams aufgeregt haben.
Ich war sauer, weil ich nicht gespielt habe. Das war ein bisschen arg. Aber ich hab auch nicht so gut ins System bei Columbus gepasst. Wir haben zwar gut gespielt, sind bis ins Finale gekommen. Aber unsere Ergebnisse waren immer 4:3 oder 5:4, weil wir immer extrem offensiv gespielt haben. Das hat mir nicht gepasst. Ich bin Verteidiger. Ich will lieber ein 1:0 als ein 4:3. Und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es allen egal ist, wenn wir ein Gegentor bekommen. Dann sind wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass ich mir nach der Saison etwas Neues suche.
Das offene Wort von Emanuel Pogatetz ist also des Öfteren auch zu einem Problem für Emanuel Pogatetz geworden.
In der Nationalmannschaft hat mich das zehn Länderspiele gekostet. Vor der Europameisterschaft 2008 war ich die ganze Vorbereitung über suspendiert, weil ich – etwas unbedacht natürlich – zuvor das eine oder andere kritisiert hatte. Zum Glück hab ich’s damals rechtzeitig wieder ins Team geschafft.
Sie sind nicht gerade ein Diplomat?
Ich bin halt ein Typ, der sich schon mal ärgert. Ich habe aber auch gelernt, dass ich meine Emotionen unter Kontrolle haben muss. Ich hab in dieser Hinsicht aber sicher schon Lehrgeld bezahlt.
Soll Union also noch mal ein bisschen Middlesbrough für Sie sein?
Ja, das war die Überlegung. Ich hab mich da extrem auf mein Gefühl verlassen. Dachte, das könnte passen. Das Stadion ist ein bisschen englisch. Die Fans sind sehr speziell. Ich war sehr positiv beeindruckt von dieser Verbundenheit. Nach dem Motto: Ja, du bist jetzt auch ein Unioner, wir duzen uns alle. Ich kann jetzt nur mein Bestes versuchen.
Ist die österreichische Nationalmannschaft mittlerweile zu gut, um sich als Zweitligaspieler noch in den Kader für die EM in Frankreich zu spielen?
Natürlich hat man die Hoffnung nicht aufgegeben, dass man doch noch mitfahren kann. Ich bin mir aber bewusst, dass es sehr schwer wird. Ich weiß aber auch, dass es im Fußball manchmal sehr schnell gehen kann.
Im Besonderen, wenn man Emanuel Pogatetz heißt.
Das stimmt.
Das Gespräch führte Markus Lotter.