Ex-DFB-Nationalspieler: Warum Marko Marin mittlerweile in Belgrad als Held verehrt wird

Dass der Champions-League-Gewinn des FC Liverpool vergangene Saison sehr früh an einem seidenen Faden hing, hatte eine Menge mit Marko Marin zu tun. Beide Tore beim 2:0-Sieg von Roter Stern Belgrad gegen die Mannschaft von Jürgen Klopp hatte der mittlerweile 30-jährige Stürmer vorbereitet. Am Ende der Gruppenphase brauchte Liverpool dann einen der vielen magischen Anfield-Momente, als Torhüter Alisson Becker mit einer gigantischen Parade in der Nachspielzeit das 1:0 gegen den SSC Neapel und damit den Einzug ins Achtelfinale sicherte. Belgrad schied bei seiner ersten Champions-League-Teilnahme in einer komplizierten Gruppe, der auch noch Paris St. Germain angehörte, schließlich als Vierter aus.

Heute Abend (21 Uhr) will die Mannschaft, deren Kapitän Marin inzwischen ist, in Belgrad die zweite Teilnahme an der Königsklasse perfekt machen. Wie im Vorjahr muss Serbiens Meister wegen der schlechten Platzierung in der Uefa-Fünfjahreswertung vier Qualifikationsrunden bestehen, die letzte Hürde ist Young Boys Bern. Im Hinspiel gab es in der Schweiz ein 2:2, erneut glänzte Marin mit zwei Assists.

Der einstige deutsche Nationalspieler hat einen weiten Weg zurückgelegt, der ihn zu acht Klubs führte, seit ihn Bundestrainer Joachim Löw 2008 als Zweitligaspieler von Borussia Mönchengladbach in seinen Kader berief. Das passt gut zu Roter Stern Belgrad, deren Rückkehr in den internationalen Spitzenfußball ähnlich beschwerlich verlief.

1991 war das Belgrader Jahrhundertteam um Dejan Savicevic und Robert Prosinecki der vorletzte Gewinner des Europapokals der Landesmeister – neben Steaua Bukarest eines von zwei Siegerteams des Wettbewerbs, die nicht aus Spanien, Italien, Deutschland, Großbritannien, Holland oder Portugal kamen. Danach zerstreuten die Verlockungen der großen Klubs und der Balkankrieg die Mannschaft in alle Winde. Jener Krieg, der auch Marins Familie veranlasste, aus Jugoslawien nach Deutschland zu flüchten.

Marko Marin galt als größeres Talent als Marco Reus

Der 1,70 Meter große Dribbler galt als größtes Stürmertalent Deutschlands, doch anders als bei Marco Reus, seinem direkten Nachfolger im Gladbacher Angriff, geriet seine Karriere nach fulminantem Beginn ins Stocken. Es begann damit, dass ihn Bundestrainer Löw völlig überraschend aus dem Kader für die Europameisterschaft 2008 strich, eine frühe Parallele zur WM-Ausbootung von Leroy Sané zehn Jahre später. Der Wechsel zu Werder Bremen im Jahr 2009 ließ sich zunächst gut an, doch fiel er mit dem beginnenden Niedergang des Klubs zusammen, und nach Mesut Özils Abgang zu Real Madrid nach der WM 2010 litt Marins Spiel deutlich.

Dennoch verpflichtete ihn der FC Chelsea, wo er nach einer Verletzung ins Abseits und auf die berüchtigte Leihschiene des Klubs geriet. In vier Jahren spielte er nur sechsmal in der Premier League für Chelsea, dafür gastierte er beim FC Sevilla, dem AC Florenz, RSC Anderlecht und Trabzonspor.

Erst als er 2016 Chelseas Resterampe endlich hinter sich ließ und zu Olympiakos Piräus wechselte, nahm Marins Karriere wieder Fahrt auf. Zwei Jahre später unterschrieb er bei Roter Stern, wo er schnell einer der wichtigsten Spieler und zum Publikumsliebling wurde. „Es war der richtige Schritt, für mich, aber auch für den Klub“, ist er überzeugt. Seinen Hang, den Ball zu lange für sich zu behalten, hat Marin längst abgelegt, dafür hat er die Fähigkeit optimiert, das Spiel zu lenken und die Kollegen optimal einzusetzen.

Kaum zu glauben: Marko Marin ist heute einer der international erfolgreichsten deutschen Spieler

Kurioserweise ist Marin trotz seiner traurigen Odyssee einer der international erfolgreichsten deutschen Spieler. Er wurde Meister in Griechenland und Serbien, zweimal gewann er die Europa League, 2013 mit Chelsea, 2014 mit Sevilla, jeweils gegen Benfica Lissabon. Gespielt hat er allerdings nur 26 Minuten im Finale 2014, als ihn Sevillas Trainer Unai Emery in der 78. Minute einwechselte und in der 104. schon wieder herausnahm. Im Jahr 2009 war er ebenfalls nur Reservist, als die U21, die später den Kern des Weltmeisterteams 2014 stellte, Europameister wurde. Und auch am dritten Platz bei der WM 2010 war Marin beteiligt, kam aber nur in den ersten beiden Vorrundenspielen gegen Australien und Serbien zum Einsatz.

Das letzte seiner 16 Länderspiele bestritt Marko Marin im November 2010 beim 0:0 gegen Schweden in Göteborg, eine Rückkehr ist so utopisch wie der Gewinn der Champions League mit Roter Stern Belgrad. Dort wäre das Erreichen des Achtelfinales ein ehrgeiziges, aber realistisches Ziel. Helfen könnten dabei ein paar Assists oder Tore von Marko Marin heute Abend im Play-off-Rückspiel gegen Young Boys Bern.