Fangipfel mit DFL: DFL müht sich um Entspannung
Der morgendliche Blick in den Fernseher verhieß nichts Gutes. Zu sehen waren Bilder aus Hannover vom Mittwochabend (wir berichteten). Ungefähr 300 Dresdner Fans stürmten vor dem Anpfiff des Pokalspiels zwischen Hannover 96 und Dynamo Dresden das Stadion in Niedersachsen, mehrere Polizisten wurden verletzt. Das waren ungute Vorzeichen für den bundesweiten Fangipfel, zu dem die Fan- und Mitgliederabteilung des 1. FC Union Berlin gestern geladen hatte.
Denn der neuerliche Vorfall befeuert diejenigen, die die Meinung vertreten, dass endlich resolut gegen die Gewalt im Fußball vorgegangen werden müsse. Geredet habe man genug. Genau das sehen die 250 Vertreter von Fangruppierungen, die dem Ruf nach Köpenick gefolgt sind, grundlegend anders.
Viele fühlen sich zu Unrecht angegriffen
Mit ihnen, den Fans, sei eben gar nicht gesprochen worden. Stattdessen hat die „Kommission Sicherheit“ der Deutschen Fußball Liga (DFL) Ende September ein Konzeptpapier erarbeitet. Es enthält Vorschriften und Sanktionen, die die Sicherheit im Stadion erhöhen sollen.
Die Fans fühlen sich übergangen, bevormundet und vor allem vorverurteilt. Dementsprechend lautete das Motto des Fangipfels: „Heute geht’s um uns“.
Angestoßen wurde das Treffen von Anhängern des 1. FC Union Berlin. „Weil wir uns zu Unrecht angegriffen fühlen“, so Christian Arbeit. Er ist Unions-Stadionsprecher und im Alltagsgeschäft der Pressechef des Vereins. Zum Gipfel ist er aber als Fußballfan erschienen. Ihn bewege wie die anderen Union-Fans die „Liebe zum Fußball“. Bei Union Berlin ist der Übergang zwischen Verein und Fan seit jeher ein fließender.
Mit ihrem Stadion, das mehrheitlich Stehplätze bietet, sehen sich die Köpenicker als „bedrohte Art“ und potenziell erstes Opfer von populistischen Lösungsvorschlägen, die Stehplätze, Rassismus, Gewalt und Pyrotechnik in einen Topf werfen. Differenzierung und Versachlichung waren daher die Leitmotive des Fankongresses. Die einleitenden Vorträge von Union-Fans dienten dementsprechend der Relativierung. Den Anwesenden wurde trotz aller Unzufriedenheit mit dem Vorgehen der DFL von den Veranstaltern vor Augen geführt, dass es Gut und Böse nicht gibt und in Politik, Fußballverband, DFL und Vereinen nicht nur Gegner der Fankultur sitzen.
Rettig gibt sich Mühe
Diese Herangehensweise zahlte sich aus. Schließlich ging es zwar plakativ „um uns“, die Fans. Ziel der Veranstaltung aber war der Dialog. Deshalb fanden sich neben den Fanvertretern von 49 Vereinen Vertreter aus den obersten vier deutschen Fußballligen im VIP-Zelt an der Alten Försterei auch der designierte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und DFL-Justiziar Jürgen Paepke ein.
Der Begrüßungsapplaus für die beiden fiel noch verhalten aus. Doch als sie am Nachmittag ans Mikrofon traten, war der Empfang freundlicher. Und Rettig sprach zunächst ganz im gewünschten Duktus. Alle Beteiligten müssten „verbal abrüsten“, sagte der Mann, der im Januar das Amt des DFL-Geschäftsführers übernehmen wird. Populistische Parolen, wie sie manche Politiker publikumswirksam inszenieren, sind der Sicherheitsdebatte nicht zuträglich. Rettig weiß das. Das Konzeptpapier will er daher auch nicht als Vorverurteilung verstanden sehen.
Es sei nicht „in Stein gemeißelt“, stellte Rettig richtig. Der Widerstand gegen das Konzept zeige, dass sich die Fans einbrächten. „Wir nehmen das gerne auf“, versprach er. Überhaupt gab sich Rettig Mühe, den Vorwurf der Bevormundung zu entkräften. „Die Zeit von Befehl und Gehorsam ist vorbei“, sagte er. Damit ging er auf Distanz zum Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier, der nach den Ausschreitungen im Umfeld der Bundesligapartie zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 vor eineinhalb Wochen sofortiges Handeln gefordert hatte.
Selbstkritische Fans
Es sind Aussagen wie die von Caffier, die in der Fanszene für Verärgerung sorgen. „Es wird so getan, als sei ein Fußballspiel ein Sonderuniversum“, sagte Arbeit. Dieser Ansicht wollten die Fans entgegenwirken, und sie gaben sich dabei selbstkritisch. Man solle nicht nur anprangern, sondern auch eigene Fehler eingestehen, mahnte der Sicherheitsbeauftragte von St. Pauli, Sven Brux. Zudem sei es leider so, dass genug Irre rumlaufen würden, „die nichts anderes im Kopf haben, als Scheiße zu machen“.
Solche Menschen waren es, die das Stadion in Hannover gestürmt haben. Nicht Fußballfans, sondern Gewaltbereite, die gezielt eine Straftat begangen haben.
„Dagegen hilft kein Konzept“, sagte Arbeit, „sondern nur das geltende Recht und das staatliche Gewaltmonopol“. Da das DFL-Konzept jedoch Sanktionen unter Aufsicht der DFL vorsieht, sozusagen eine parallele Justiz, fordert Brux, das DFL-Papier „in die Tonne zu kloppen“. Im Verbund mit der Liga soll ein neuer Entwurf erarbeitet werden.
„Es war ein guter Beginn“, sagte Rettig.