FC Augsburg: Angezogene Handbremse
Belek - Wie man sich bettet, so liegt man. In Sachen Urlaub wird die Redewendung benutzt, um Schnäppchenjäger zu verspotten, die sich über die billigste Unterkunft wundern. In Belek, diesem im Sommer von konsumfreudigen russischen Touristen und im Winter von heimatlosen deutschen Fußballprofis besetzten Fleckchen Erde, wird schnell klar, welcher der fünf gerade anwesenden Bundesligisten sich als allerletztes um eine Herberge gekümmert hat.
Denn auch in dieser Hinsicht ist der FC Augsburg ein sicherer Abstiegskandidat. Erst kurz vor Weihnachten reifte beim Tabellenvorletzten der Entschluss für ein Trainingslager. Nun nächtigen Markus Weinzierl und Stefan Reuter in einer etwas in die Jahre gekommenen Anlage, dennoch wirken Trainer und Manager an der türkischen Riviera gerade ziemlich zufrieden.
Und wenn der Wind mitunter durch den Pinienwald über ihren Trainingsplatz pfeift, stehen die beiden in ihren grünen Allwetterjacken Seite an Seite. Sie wollen die Sache gemeinsam durchzuziehen. Oder wie es der Welt- und Europameister formuliert: „Seit dem 2. Januar gibt es nur eine Richtung: Das ist der Klassenerhalt. Dafür müssen wir ackern.“ Der 46-Jährige selbst aber nicht mehr: „Ich gehe besser joggen oder fahre Fahrrad.“
Wer sich im Mannschaftshotel mit dem in Dinkelsbühl geborenen und seit sieben Jahren wieder in München wohnenden Neu-Manager Reuter zusammensetzt und über den aus Straubing stammenden und in Augsburg wahlbeheimateten Jungtrainer Weinzierl spricht, merkt schnell: Geschlossenheit ist angesagt. Anders als der geschasste Jürgen Rollmann lässt der dritte FCA-Manager dieser Spielzeit keine Diskussion über den 38-jährigen Trainer zu. „Ich hatte schon aus der Distanz einen guten Eindruck von ihm. Dieser gute Eindruck hat sich in den vergangenen Tagen bestätigt. Seine Einstellung zum Fußball, seine Art der Mannschaftsführung – das gefällt mir.“
„Wenn man in diesem Geschäft Augen und Ohren offenhält, sammelt man Erfahrungen“
Im Grunde ist das Duo mit der bajuwarischen Vergangenheit – der eine Amateurspieler, der andere Profi beim FC Bayern – bemüht, zusammen das Profil zu schärfen. Reuter tritt zuvorkommend und freundlich auf, auch wenn er vieles nur mit Vorsicht formulieren mag. Wo er früher auf dem Platz den Turbo eingeschaltet hatte, ist heute im Gespräch oft die Handbremse angezogen. Zweifel an seinen Manager-Fähigkeiten lässt er nicht zu, weil er bereits bei 1860 München in erster Reihe diesen Job erledigt habe. Zudem: „Wenn man 20 Jahre Profi war und lange in der Nationalmannschaft gespielt hat, gibt es nur wenige Vereine, in denen man keinen bekannten Ansprechpartner findet.“
Während der Übungseinheiten telefoniert der Familienvater oft, schließlich kommen nicht alle Berater direkt an den Trainingsplatz wie Max Hagmayr mit seinem Assistenten Markus Weissenberger. Grundsätzlich sieht Reuter nach der Verpflichtung des Südkoreaners Dong-Won Ji und des Amerikaners Michael Parkhurst keine Notwendigkeit, noch auf dem Transfermarkt tätig zu werden.
Andere Eigenschaften möchte Reuter seinem neuen Arbeitgeber vermitteln. „Wir wollen in diesem Kader eine absolute Homogenität haben. Wir müssen gierig sein, die nötigen Ergebnisse einzufahren. Es ist harte Arbeit, wenn man nach den Spielen Spaß haben will.“ Er selbst ist als Spieler ja ein Stehaufmännchen gewesen, das sich auch von schwersten Verletzungen nicht aus der Bahn werfen ließ; er war fast 38, als er nach zwölf Jahren beim BVB Schluss machte. „Wenn man in diesem Geschäft Augen und Ohren offenhält, sammelt man automatisch Erfahrungen.“
Reuter durfte im Anschluss sofort in Dortmunds Geschäftsführung wechseln, gemeinsam mit Michael Zorc war er unter der Führungsebene Gerd Niebaum und Michael Meier angesiedelt, die den Klub mit ihrer Risikopolitik an den Rand des Ruins trieben. Über die unschönen Episoden beim BVB redet Reuter eher ungern, dafür erzählt er lieber die Geschichte, wie er kurz vor Weihnachten in der Nähe von Kitzbühel am Skilift stand, als ihn der Anruf aus Augsburg erreichte. „Ich habe meinen Kindern einen schönen Skitag gewünscht – seitdem habe ich nicht mehr auf den Brettern gestanden.“ Reuter bereut das nicht. Im Gegenteil. Zwischen Weihnachten und Neujahr sei es auf den österreichischen Skipisten eh zu voll – und die türkische Riviera mit ihrem sonnigen Winterwetter ganz nett. Wenn er hier auch keinen Urlaub macht.