Freiwasserschwimmen: Leonie Beck und ihr Platz an der Sonne

Die Weltmeisterin will bei der Schwimm-EM in Rom erneut Medaillen gewinnen: im Meer vor ihrer Haustür.

Holte Silber über zehn Kilometer im Freiwasser: Leonie Beck.
Holte Silber über zehn Kilometer im Freiwasser: Leonie Beck.LaPresse via ZUMA Press/dpa/Gian Mattia D’Alberto

Corona hat Leonie Beck nach Rom geführt. „Weil ich durch die Pandemie keine Sonne mehr gesehen habe, habe ich bei den Italienern mittrainiert“, berichtet die Freiwasser-Weltmeisterin. Was im vergangenen Jahr vor Olympia als zweiwöchiges Intermezzo begann, wurde danach zum Alltag. Jetzt hat die 25-Jährige nicht nur Sonne satt, sondern auch den EM-Heimvorteil.

„Die Strecke ist da, wo wir immer trainieren. Ein bisschen weiter links“, erzählt die Würzburgerin, die seitdem in Roms Badeort Ostia lebt und trainiert. „Es ist schon sehr schön, wenn man draußen am Meer trainieren kann, zwei-, dreimal die Woche auch ins Meer gehen kann – schön, an der Sonne zu trainieren.“ Sie sei quasi „das ganze Jahr im Trainingslager“.

Beck trainiert mit Wellbrock-Konkurrent Paltrinieri

Zu ihrer Trainingsgruppe gehört Italiens Schwimmstar Gregorio Paltrinieri. Dass sie sich zusammen mit dem größten Rivalen ihres deutschen Nationalmannschaftskollegen Florian Wellbrock vorbereitet, findet sie „nicht komisch“. Auch der Olympiasieger trainiert in Magdeburg zusammen mit ihrer niederländischen Gegnerin Sharon van Rouwendaal. „Die Schwimmer sind im Moment in der ganzen Welt verteilt“, sagt sie, „es ist ganz entspannt.“

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Bevor die Staffel-Weltmeisterin in der nächsten Woche am Lido di Ostia vor ihrer Haustür wieder um Medaillen kämpft, stimmt sie sich im Foro Italico im Becken ein – so wie ihre Karriere begann und beinahe auch schnell wieder endete. Denn nach dem tränenreichen 25. Platz über 800 Meter Freistil bei den Sommerspielen in Rio dachte Beck ans Aufhören. Nach längerem Überlegen wechselte sie ins Freiwasser – und musste auch dort zunächst Rückschläge einstecken.

„Die ersten Rennen waren schwer, ich bin mit blutenden Augen rausgekommen“, erinnert sie sich, „ganz weit hinten. Aber ich habe nicht aufgegeben.“ Erste Erfolge im Weltcup, 2018 zweimal EM-Silber in Glasgow, „es wurde Stück für Stück besser“. Platz fünf bei Olympia in Tokio war der „springende Punkt“, da hatte sie „richtig Spaß beim Rennen, ich habe verstanden, wie Freiwasser funktioniert“.

In Italien setzte die Sportlerin, die lange beim inzwischen wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten früheren Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz trainierte, neue Anreize. Sie legte „mehr Wert auf Krafttraining, weniger auf die Zeiten im Training“. Bei der WM in Budapest vor sechs Wochen gewann sie nicht nur mit Wellbrock und den Kollegen Staffel-Gold, sondern auch die Silbermedaille über die olympischen zehn Kilometer. „Ich bin jetzt oben angekommen und kann um die Medaillen kämpfen“, sagt sie stolz.

Beck schreibt Masterarbeit über Body Positivity

Doch Beck feierte nach Olympia noch einen zweiten Sieg – außerhalb des Wassers. Im „Akkord“ schrieb sie ihre Masterarbeit über Body Positivity bei Instagram: „Ich habe drei Tage nach meinem Rennen in Tokio gesagt: Jetzt muss ich anfangen, ich hatte dann genau drei Wochen Zeit.“ Sie schaffte es sogar in zweieinhalb Wochen und schloss den Studiengang Medienkommunikation erfolgreich ab – als Belohnung gab es von der Stiftung Deutsche Sporthilfe die Auszeichnung als Sportstipendiatin des Jahres.

„Ich wollte nach der Karriere irgendwas in der Hand haben“, sagt sie, „es ist nicht selbstverständlich, dass man einen Job durch das Schwimmen bekommt.“ Aber zumindest Spaß hat sie endlich daran gefunden.