„Sehr, sehr starke Momentaufnahme“: Titelträume bei Borussia Dortmund wachsen
Neun Pflichtspiele in 2023 gewonnen – der BVB zeigt sich in Topform. Julian Brandt empfiehlt sich für die Nationalmannschaft und entzückt mit seinem Rücken-Tor.

Inmitten der Meisterschaftsträume bei Borussia Dortmund zeigte sich Sportdirektor Sebastian Kehl bei seinem Besuch im ZDF-„Sportstudio“ vorbereitet wie ein Musterschüler. Er habe noch mal nachgeschaut, erzählte der Sportdirektor am Samstagabend wenige Stunden nach dem Sprung an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga: Die Double-Saison 2011/2012 „hat mich selber interessiert“. Der BVB habe damals in der Rückrunde kein Spiel verloren, sagte Kehl. „Wenn uns das in dieser Serie auch gelingen sollte, dann könnten solche Bilder wiederkommen.“
Borussia Dortmund schreibt Vereinsgeschichte
Bilder, die ihn als Kapitän mit der Meisterschale zeigten, damals noch als Spieler – am Ende einer Saison mit dem Triumph in der Liga und im DFB-Pokal. Wie titeltauglich die Borussia wirklich ist, darüber gab das 1:0 beim Abstiegskandidaten der TSG 1899 Hoffenheim nur bedingt Aufschluss. Aber noch nie ist der BVB in seiner Vereinsgeschichte mit neun Pflichtspielsiegen ins Jahr gestartet. „Wir spielen natürlich um die Meisterschaft mit, das ist klar“, sagte Torhüter Gregor Kobel.
Die ausgelassene Freude der Dortmunder nach dem Abpfiff in Sinsheim und das breite Grinsen allerorten verrieten, dass der Glaube an den ganz großen Coup wieder ein Stück gewachsen ist. „Weinen tut keiner“, sagte Außenbahnspieler Marius Wolf, als er nach der Stimmung beim neuen Spitzenreiter in der Kabine gefragt wurde. „Wir sind natürlich sehr, sehr froh über den Sieg heute, aber wir sind noch lange nicht fertig“, kündigte Trainer Edin Terzic beschwingt an.
Die Fans besangen natürlich fröhlich die Tabellenführung und auch schon die mögliche Meisterschaft. Terzic dimmte die Begeisterung erst gar nicht herunter, sondern philosophierte bei der Pressekonferenz: „Nicht nur die Fans, sondern jeder Mensch sollte träumen. Weder die Mannschaft noch ich werden fürs Träumen bezahlt. Träumen wird uns nicht helfen, ins nächste Spiel zu gehen und zu gewinnen. Trotzdem werden wir niemand auf dieser Welt verbieten zu träumen.“
Bereits am Freitag (20.30 Uhr) kann das Terzic-Team gegen den Titelrivalen RB Leipzig zeigen, wie reif es wirklich ist. Der Weg im DFB-Pokal führt auch über die Sachsen, die Viertelfinal-Partie steht am 5. April in Leipzig an. Und dann ist da ja noch die Champions League mit dem Rückspiel beim FC Chelsea am 7. März. „Das ist jetzt eine sehr, sehr starke Momentaufnahme – man kann sich das aber schnell auch wieder kaputt machen“, sagte Torschütze Julian Brandt.
Vor 30.150 Zuschauern – darunter Bundestrainer Hansi Flick – entzückte der Nationalspieler mit seinem Rücken-Tor in der 43. Minute. So lenkte er den Ball nach einem scharf getretenen Freistoß von Marco Reus ins Netz – sein achtes Saisontor und das vierte im vierten Spiel nacheinander. Brandt empfahl sich mit seiner Topform für die bevorstehenden Länderspiele am 25. März in Mainz gegen Peru und am 28. März in Köln gegen Belgien.
„Julian ist ein überragender Fußballer, der uneigennützig spielt, der unglaublich viele Tore vorbereitet, und im Moment macht er auch Tore“, lobte der neue DFB-Sportdirektor Rudi Völler am Sonntag bei Bild TV. „Er ist auch ein bisschen robuster geworden, ist älter geworden und wird zu Recht in Dortmund abgefeiert.“ Und auch die Borussia lobte Völler überschwänglich: „Sie sind stabiler geworden, es gibt keine Umfaller, wenn man mal in Rückstand gerät. Die Dortmunder machen es wirklich top im Moment.“
Gespräche mit Mats Hummels und Marco Reus im März geplant
Die BVB-Bosse wollen den Titel aber – noch – nicht zum großen Ziel erklären, zumindest nicht öffentlich. „Ich und wir sind wirklich viel zu bodenständig, um jetzt im Februar diese Ziele auszurufen, weil wir auch wissen, wie das vor ein paar Wochen aussah“, sagte Kehl. Hinsichtlich der auslaufenden Verträge von Reus und Hummels will er aber schon im März Nägel mit Köpfen machen. „Zielführende Entscheidungen“ kündigte der Sportchef an. Ob seine früheren Teamkollegen am Ende bleiben oder gehen, ließ Kehl allerdings offen.
Noch komplizierter dürfte es bei Bellingham werden. Mit Blick auf den Engländer, der in Sinsheim als jüngster Spieler der Geschichte (19 Jahre und 235 Tage) sein 50. Bundesliga-Spiel absolvierte, geht Kehl von exorbitant hohen Angeboten europäischer Topklubs aus. Trotz eines Vertrags bis 2025 ohne Ausstiegsklausel dürfte es für den BVB schwierig werden, vermuteten Verlockungen im dreistelligen Millionenbereich zu widerstehen. „Wir werden uns mit der Familie in Ruhe zusammensetzen“, sagte Kehl: „Und dann werden wir uns auf alle möglichen Szenarien vorbereiten.“ Genau wie auf das Szenario „Meisterfeier auf dem Borsigplatz“.