Fußball-Team Großbritannien bei Olympia: Giggs und Co. haben keine Taktik für die Hymne

Ryan Giggs’ Lippen bildeten eine Linie, so schön gerade, wie mit dem Lineal gezogen. Er sah nicht wie ein Mann aus, der die Musik in seinen Ohren genoss. Dabei spielten sie im Stadion Old Trafford von Manchester vor der ersten Olympia-Partie der britischen Fußball-Auswahl gegen Senegal (1:1) doch seine Nationalhymne. Oder etwa nicht?

Mit zusammengepressten Lippen begleiteten Kapitän Giggs und die anderen drei Waliser in Großbritanniens Elf die Intonierung von „God save the Queen“. Für sie blieb es die Hymne der anderen, der Engländer. Wie durcheinander ihr Nationalgefühl geriet, als sie erstmals nicht für Wales, sondern für das speziell für die Olympischen Spiele in London geschaffene Team Großbritannien Fußball spielten, machte ein anderer Waliser, der Torschütze gegen Senegal, Craig Bellamy, deutlich: „Ich repräsentiere hier Großbritannien und das, was mein Land ist: Wales.“

"Manche Fußballer singen gerne, andere nicht."

Mit einigen Geburtsschmerzen erblickte das erste britische Fußball-Team seit 41 Jahren in Manchester das Licht der Welt. Für die britische Hysterie-Presse waren die walisischen Hymnen-Verweigerer natürlich ein gefundenes Thema. „Fußball-Team trifft den Ton nicht!“, schnaubte die Daily Mail.

Trainer Stuart Pearce verteidigte die Spieler damit, er gebe keine Taktik für die Hymne aus. „Manche Fußballer singen gerne, andere nicht.“ Die Veranstalter beruhigten die Gefühle eher nicht.

Im Programmheft machten sie den walisischen Mittelfeldspieler Joe Allen zum Engländer. „Es war nur ein Fehler! Ein ganz normaler Fehler“, wehrte sich der Geschäftsführer des Organisationskomitee Paul Deighton gegen politische Überinterpretationen. Für das nächste Spiel werden alle Programme neu gedruckt.

Mangelnde Eintracht im britischen Team

Das Publikum brauchte ein paar Minuten, um sich daran zu gewöhnen, dass sie nun Fans von einer anderen Fußballauswahl waren. Dann hatten sich die 75.000 im ausverkauften Old Trafford auf die zwei simpelsten Anfeuerungsrufe geeinigt, „GB!“ und „Come on, GB!“

Dass schon bald aber niemand mehr irgendetwas rief im Old Trafford, lag an einer mangelnden Eintracht im britischen Team, die nichts mit Nationalgefühlen zu tun hatte: Die Olympia-Auswahl spielte wie eine kurzfristig zusammengewürfelte Truppe; bemüht, aber ohne Feinabstimmung. Was kein Wunder ist. Die Mannschaft mit 13 Engländern und fünf Walisern, ohne Schotten und Nordiren, traf sich angesichts des dichten Terminkalenders des Profifußballs vor zweieinhalb Wochen zum ersten Mal.

Nur leicht aufgepäppelte Junioren-Auswahlen

So plätscherte das Spiel statt zu rauschen. Giggs, der Weltstar und olympische Frischling mit 38, lief viel und passte mickrig. Joe Allen, der Diamant im Team, blieb isoliert. Ihn müssten sie zum FC Barcelona schicken, er könnte Xavis Lehrling werden mit seinen Präzisionspässen, er wird aber wohl für 19 Millionen Pfund von Swansea City zum FC Liverpool wechseln.

Fußball ist der einzige Sport bei Olympia, der nicht seine Besten schickt, sondern leicht aufgepäppelte Junioren-Auswahlen, und Großbritanniens Spiel im Trab-Tempo war wie ein Beweis dafür, dass Männer-Fußball nichts bei Olympia verloren hat. Doch der olympische Geist wehte durch Old Trafford.

75.000 Zuschauer klatschten warm zum Schlusspfiff, froh, dabei gewesen zu sein, als ein Team geboren wurde, das nun irgendwie das ihre sein soll. „Wir werden von Spiel zu Spiel besser“, sagte Verteidiger Neil Taylor, womit er recht hatte, was aber auch nicht die ganz große Kunst war: Es war erst Großbritanniens zweites Spiel.