Fußball: Wie gerecht ist der Videobeweis?

Es gibt eine Regel beim Golf, die Fernsehzuschauer dazu ermutigt, Regelverstöße zu melden, diese telefonisch zu petzen. Vor dreißig Jahren kam der erste Anruf, und es ging damals um ein Handtuch. Ein gewisser Craig Stadler hatte den Ball in die Botanik gedroschen, direkt unter einen Baum und in eine  missliche Lage, die er nur kniend meistern konnte.

Dazu brauchte er eben eine Unterlage, wollte er sich seine  Hose nicht schmutzig machen. Doch weil es beim Golf verboten ist, Hilfsmittel zu benutzen, wurde Stadler  später disqualifiziert. Einem Zuschauer war der Regelverstoß aufgefallen. Seitdem gibt es den Telefonjoker.

Beim Fußball sitzen deutlich mehr Zuschauer auf der Fernsehcouch. Und wenn sie sich  über falsche Tatsachen schaffende Schiedsrichterentscheidungen beschweren könnten und der DFB ihnen dafür eine Spieltagshotline zur Verfügung stellen würde, wo sie auch  die fehlende Transparenz bei der Regelauslegung kritisieren dürften – tja, was wäre da los in so einem Callcenter?

Es gab 19 nachträgliche Elfmeter

Die Golfregelhüter haben nun beschlossen, die  Telefonpetzerei  abzuschaffen, aus verschiedenen Gründen. Um einen zu nennen: Es waren immer nur die besten Spieler betroffen, weil sie nun mal immer im Bild sind. Das machte den Sport ungerecht. Deshalb werden ab Januar vermehrt Fernsehkontrolleure bei den Profiturnieren eingesetzt. Man könnte auch sagen: Der Golfsport hat  jetzt auch einen Videobeweis.

Am Sonntag ist die Bundesligahinrunde zu Ende gegangen und mit ihr der erste Testphasenabschnitt für den Video Assistent Referee. Die Kollegen von der Sportschau waren so nett und vor allem so fleißig, noch mal alle in oder um Köln herum korrigierten Entscheidungen aufzulisten. 

Hier das Ergebnis: neunzehn nachträglich gegebene Elfmeter, elf zurückgezogene, fünf nachträglich vom Platz gestellte Spieler, einer, der  bleiben durfte, dazu drei videoermittelte Gelbe Karten und elf Tore, die bejubelt werden konnten und dann zu Jubelfrust führten. Die wichtigste Zahl ist allerdings die 23, die wiederum im Zusammenhang mit der 52 genannt werden muss.

Im Fußball gibt es keine hundertprozentige Gerechtigkeit

Trotz erhöhtem Hilfsmitteleinsatz lagen die Schiedsrichter 23 mal daneben. Ist das viel, ist das wenig? Im Hinrundenschnitt der vergangenen fünf Spielzeiten waren es 52 Fehlentscheidungen. Ist der Fußball also gerechter geworden? Ja! Oder ist das vielleicht die falsche Frage?

Im Fußball gibt es keine Gerechtigkeit, wird es, kann es auch nie geben,  solange sich Fansein auf Emotionen stützt und Ergebnisse je nach Vereinsbebrillung in Kategorien wie glücklich, unverdient oder glücklich, aber nicht unverdient einsortiert werden. Auf einem Stuttgarter Fanbanner stand zu Recht: „100 Prozent Gerechtigkeit? 0 Prozent Fußball!“

Vorschlag zur Güte: Da die Diskussion um den Videobeweis niemals enden wird, könnte der DFB in strittigen Szenen eine repräsentative Schnellabstimmung unter den Fernsehzuschauern einführen. Fußball wäre damit demokratisch und der Verband hätte Teile seiner Basis wieder, die  sich von ihm abwendet und beim Anblick von fehlerhaften Korrekturen am liebsten das Handtuch werfen würde.